Das "Liechtensteiner Volksblatt" kommentiert die Zustimmung des Volkes zum Bau des Binnenkanals


Artikel im "Liechtensteiner Volksblatt" [1]

16.12.1930

Ein Sieg der Vernunft!

Das Binnenkanalprojekt mit 860 Stimmen Mehrheit angenommen!

Die Würfel sind gefallen, das Volk hat gesprochen! Die Vernunft hat in dieser Abstimmung den Sieg davon getragen! Mit einer erdrückenden Mehrheit von 860 Stimmen ist die Binnenkanalvorlage vom Volke gutgeheissen worden und hat dieses damit gezeigt, dass es sein selbständiges Urteil bewahrt hat. Das Abstimmungsresultat hat jenen einen deutlichen Fingerzeig gegeben, die da in einseitiger Verblendung und um ihres Vorteiles willen gegen das Kanalprojekt operiert haben. [2] Noch am Tage vor der Abstimmung kamen wie aus dem Hinterhalt Flugblätter. [3] In jeder Gemeinde wurde das aufgetischt, was gerade dort passend schien. Doch der gesunde Sinn der Liechtensteiner Bürger hat die Gefolgschaft verweigert, die Vernunft hat über die Demagogie den Sieg davongetragen, und das ist ein schönes Zeugnis für unser Volk. Man begreift die spontan aufflammende Begeisterung, die nach Bekanntwerden im Unterlande sich Luft machte. Wie viele Familien, wie viele Existenzen wären durch die Verwerfung der Vorlage, wenn nicht heute oder morgen, so doch in einigen Jahren ruiniert worden! Aber der Gemeinschaftssinn hat am Sonntag die gutgesinnten Liechtensteiner zusammengehalten, ein guter Stern waltete über der Abstimmung. Diese hat so recht gezeigt, dass, wenn die Liechtensteiner auch in politischen Fragen nicht immer gleichen Sinnes sind, sie in wirtschaftlichen Dingen nicht auf die Wölfe in den Schafskleidern hören, sondern denken und selbständig stimmen. Im Nachstehenden sei nun das Abstimmungsresultat aus den einzelnen Gemeinden bekanntgegeben:

GemeindeJaNein
Vaduz17984
Triesen132100
Balzers185107
Triesenberg81172
Schaan21478
Planken223
Oberland813544
Eschen2151
Mauren21015
Gamprin819
Ruggell10225
Schellenberg5016
Unterland65866
Total1471610

Damit ist also ein Projekt angenommen, das an Grösse und volkswirtschaftlicher Bedeutung für unser Land wohl einzig dasteht. Es wird ein Werk werden, an welchem nicht nur die heutige Generation, sondern besonders auch die kommenden grossen Nutzen haben werden. Vier Jahrzehnte ist diese Frage schon diskutiert worden und viel Geld ist schon für Projekte ausgegeben worden. Wenn man alles zusammenrechnet, wird nicht viel fehlen zu 100'000 Fr. Zwei schwere Katastrophen haben unser Land, das sich nun Gott sei Dank verhältnismässig rasch erholt hat, heimgesucht. Und nun hat die Regierung den Mut und die Energie aufgebracht, dieses Projekt so weit zu fördern, dass es dem Volke zur Entscheidung vorgelegt werden konnte. Und das Volk hat es angenommen. In lobenswerter Weise haben die Bürger in allen Gemeinden sich für die Ausführung dieses für unser Land zur Lebensnotwendigkeit gewordenen Projektes ausgesprochen. Ihnen gebührt Dank und Anerkennung! Nun werden die nötigen Vorarbeiten zur Ausführung in Angriff genommen werden. Für den Bauern wie für den Arbeiter werden sich die Vorteile des Kanalprojektes bald zeigen, ob es nun für den einen direkt oder für den andern indirekt sei, für den einen heute oder für den andern morgen, bleibt sich letzten Endes gleichgültig. Die Hauptsache ist, dass die Allgemeinheit davon profitiert.

Der 14. Dezember wird einst mit goldenen Lettern im Buche der Geschichte unseres Landes eingetragen werden, der Tag, an dem der Gemeinsinn und die Vernunft der Liechtensteiner den Sieg davon getragen hat!

Heil Dir, mein Liechtenstein!

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[1] L.Vo., Nr. 145, 16.12.1930, S. 1.
[2] Die "Liechtensteiner Nachrichten" verzichteten auf eine Abstimmungsempfehlung (L.Na., Nr. 140, 13.12.1930, S. 1 ("Unser Standpunkt")). Veröffentlicht wurden jedoch v.a. Beiträge, die dem Projekt kritisch oder ablehnend gegenüberstanden.
[3] Einige ablehnende und zustimmende Flugblätter in LI LA RE 1930/3194.