Artikel in der "Liechtensteinischen Arbeiter-Zeitung" [1]
22.10.1932
Sie werden erlauben, meine Herren...
Dass wir die Wahrheit feststellen und berichten, dass die Arbeitslosigkeit auch bei uns sehr gross ist und die gegenwärtige Krise alle Volksschichten erfasst, mit der einzigen Ausnahme der Advokaten und Schuldentreiber, welche allein von der Not der anderen profitieren können, und besonders in einem Lande wie bei uns, wo dieser Blutegel bis zur völligen Entleerung des Geldbeutels angesetzt werden kann, dem keine gesetzlichen Grenzen gesteckt, in einem Lande, wo man wohl dem Arbeiter den Lohn nach Belieben kürzen, aber für die Schuldentreiber keinen gesetzlichen Tarif kennt und trotz vielen laut gewordenen Klagen noch keine Aussicht besteht, dass diesem Unwesen ein endgültiges Ziel gesteckt werden kann, denn so lange aus diesen Kreisen noch so viele Vertreter in den Behörden sind, ist mit Bestimmtheit keine Besserung zu erwarten.
Es gibt in Liechtenstein Gemeinden, in denen wir über hundert Arbeitslose gezählt haben, dies ist die Wahrheit, nicht, wie einer unserer Volksbeglücker in einer englischen Zeitung schreibt, in Liechtenstein habe es keine Arbeitslosen. Bitte bei der Wahrheit bleiben, meine Herren, auch wenn man am grünen Tische sitzt, ist dies vornehm und mindestens anständig für einen katholischen Parlamentarier. Dieses soll sich auch jener merken, der zwar nicht am grünen Tische sitzt, der aber in einer Broschüre geschrieben hat, die Bevölkerung Liechtensteins bestehe aus lauter katholischen Bauern.
Wir halten einer anständigen, wahrheitsgetreuen Propaganda für Holdinggesellschaften nichts entgegen, doch sind wir entschieden gegen die Umstellung der Tatsachen, die die Lage unseres Landes in einem anderen Lichte erscheinen lässt, als sie in Wirklichkeit ist.
Wenn wir von einzelnen Kreisen als noch so einfältig gehalten werden und unsere Reden und Artikel nicht in ihrem gewünschten Klang gehalten werden, so sind diese doch mit einem gesunden, klaren Menschenverstand geschrieben, der die Not der bedrängten Herzen besser versteht als Vertreter des geschliffenen Wortes, die es mit der Wahrheit nicht all zu genau nehmen. Wir sind nun nicht mehr so hilflos wie früher. Es hat sogar Kollegen, die auch englische Zeitungen zu lesen verstehen, wir sind auch von vielen anderen Dingen unterrichtet. So wissen wir Arbeiter heute genau, wer als die Drahtzieher der heutigen Krise anzusprechen sind, wer anders als [John Pierpont] Morgan und [John Davison] Rockefeller, [Basil] Zaharoff und alle die Helfer und Helfershelfer, die, wenn sie auch keine Geldfürsten sind, sie beugen sich doch willig unter deren Befehlen und greifen oft zu Mitteln, die keineswegs einwandfrei sind. Was uns die Ivar Kreuger-Affäre für Schandtaten enthüllte, spottet förmlich jeder Beschreibung und, trotzdem man alle diese Schwindeleien aufgedeckt, so geht es immer im gleichen Geleise weiter.
Die Geschichte unserer Tage wird von der Hochfinanz und ihrer Helfershelfer geschrieben, die Kämpfe der Hochfinanz werden ausgetragen auf dem Rücken der arbeitenden Klasse.
Was hat es für einen Zweck, von Wirtschaftsfrieden, Mitbestimmungsrecht u.a. zu reden, wenn alle Anstrengungen der Arbeiter und der Bauern von jenen zunichte gemacht werden, die mit dem Golde manipulieren? Und wir möchten ebenso behaupten, dass es gerade sinnlos ist, über Arbeitsbeschaffung, Wirtschaftskrise zu sprechen, wenn wir gestatten, dass alle unsere Bestrebungen von einer Handvoll Finanzkönige und ihrer Helfer zunichte gemacht werden dürfen.
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[1] L.Arb.Z., Nr. 31, 22.10.1932, S. 1.