Schreiben von Arnold Muggli, Leiter der Abteilung Rationierung im schweizerischen Kriegsernährungsamt, an Regierungschef Josef Hoop [1]
27.12.1944, Bern
Sehr geehrter Herr Dr. Hoop,
Wiederum stehen wir an der Schwelle eines neuen Jahres, ohne dass uns die vergangenen 12 Monate den ersehnten Frieden gebracht hätten.
In der Überzeugung, dass wir die bisherigen Schwierigkeiten der Lebensmittelrationierung ohne verständnisvolle Zusammenarbeit und den vollen Einsatz Aller nicht überwunden hätten, ist es mir ein Bedürfnis, Ihnen rückblickend meinen aufrichtigsten Dank auszusprechen für Ihre stets bewährte Mithilfe am gemeinsamen Werk.
Im Laufe dieses Jahres ist die 4-jährige Phase der vollständigen Umklammerung durch eine einzige der kriegführenden Parteien zu Ende gegangen. Die zu Beginn dieser neuen Periode gehegten Erwartungen hinsichtlich einer freieren Gestaltung unserer Zufuhren aus Übersee haben sich bis jetzt nicht verwirklicht. Aller Friedenssehnsucht zum Trotz ist das Kriegsende noch unbestimmt und unsere Versorgungslage hat sich sogar eher verschlechtert. Zu Beginn des neuen Jahres sehen wir neuartigen bedeutenden Schwierigkeiten entgegen. Die letzte Periode der Kriegswirtschaft wird voraussichtlich noch höhere Anforderungen an uns stellen, insbesondere auch deshalb, weil es jetzt gilt, trotz aller Schwierigkeiten und Ermüdungserscheinungen die Lebensmittelrationierung geordnet zum guten Ende zu führen.
Im Vertrauen darauf, dass mit der Gefahr stets auch die positiven Gegenkräfte wachsen, glaube ich, mit meinem Dank auch der Hoffnung Ausdruck geben zu dürfen, dass wir auch neue Schwierigkeiten im bisherigen Geiste der Zusammenarbeit bewältigen werden und wir deshalb mit frohem Mut ins neue Jahr treten dürfen.
Mit besten Wünschen zum Jahresanfang
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[1] LI LA RF 228/021/Fasz. I (a).