Der Landtag verabschiedet das Gesetz betreffend die Errichtung einer Gewerbegenossenschaft mit Zwangsmitgliedschaft


Protokoll der öffentlichen Landtagssitzung, ungez. [1]

11.12.1935

VIII. Gesetz betr. die Errichtung einer Gewerbegenossenschaft

Reg.Chef [Josef Hoop] gibt die Vorlage bekannt und führt aus:

Dieses Gesetz ist nur ein allgemeines Rahmengesetz, welches erst eigentlich volle Bedeutung bekommt, wenn das Statut der Genossenschaft einmal aufgestellt, von der Gesamtheit der Gewerbetreibenden beschlossen und von der Regierung genehmigt ist. Dann haben wir erst dasjenige, was der Gewerbeverband wollte. Die Lage des Gewerbes ist bei uns alles andere als rosig. Im Zuge der Massnahmen, welche mit dem Notstandsprogramm vom 23.10. l.J. [2] angeordnet wurden, ist in den Verhandlungen zwischen Regierung und Gewerbeverband diese Frage eingehend geprüft worden. Wir haben gefunden, dass die Errichtung einer Gewerbegenossenschaft empfehlenswert ist. Es lässt sich zum vorhinein nicht mit Bestimmtheit sagen, dass das das einzige Richtige ist, aber die Gewerbetreibenden erhoffen sich dadurch eine Besserung ihrer Verhältnisse. Für die übrige Bevölkerung können Unzukömmlichkeiten nach unserer Meinung nicht eintreten, weshalb keine Ursache besteht, sich etwa gegen das Gesetzwerden dieses Entwurfes zu stemmen.

[Basil] Vogt: Ich möchte fragen, ob die Sache obligatorisch wird und jeder Gewerbetreibende dieser Genossenschaft beitreten muss.

Reg.Chef: Jeder Gewerbetreibende ist automatisch in dieser Genossenschaft. Man frägt ihn nicht und er braucht auch keinen Beitrag zu bezahlen und nimmt keine Verpflichtung auf sich, aber er ist in der Genossenschaft drinnen. Wenn eine Fachgruppe Beschlüsse fasst, dann wird die Minderheit sich diesen Beschlüssen auch fügen müssen. Das ist in der grossen Politik und in anderen Verbänden so, dass die Mehrheit die Massnahmen ergreift, die gut scheinen und denen sich dann die Minderheit fügen muss.

Vogt: Es könnte aber für einzelne Gemeinde schlimme Folgen haben. Die Verhältnisse sind nicht in jeder Gemeinde gleich. Jedenfalls müssten sich alle Gemeinden nach Vaduz und Schaan richten. Es könnten Konsequenzen daraus entstehen.

Reg.Chef: Das ist nur ein Rahmengesetz und vorläufig wachsen keine Konsequenzen heraus. Ich weiss, dass die Gewerbetreibenden des ganzen Landes mit dieser Sache einverstanden sind, nicht nur die von Schaan und Vaduz. Es ist der Wunsch des ganzen Gewerbeverbandes, dass das in Kraft tritt. Natürlich gibt es immer Aussenseiter.

Vogt: Für mich gibt es nur Vorteile, nicht Nachteile und ich rede nicht für mich, sondern für die Allgemeinheit.

Reg.Chef: Ich möchte noch den Bedenken des Abg. Vogt entgegenhalten, dass rings um uns herum diese Frage teils gelöst, teils in Lösung begriffen ist. In Österreich, dessen Gewerbegesetzgebung allgemein als straff und gut anerkannt wird, besteht diese Genossenschaft schon seit Jahrzenten und sie hat sich gut bewährt. In der Schweiz sind die Ansätze dazu gesetzlich verankert. Es bestehen dort die verschiedenen Verbände, die ihre Interessen vertreten.

Frommelt Ad. [Adolf]: Ich glaube, dass es notwendig ist, dass diese gesetzliche Regelung getroffen wird. Ich begrüsse dieses Gesetz sehr und möchte es zur Annahme empfehlen.

[...] [3]

Präsident [Anton Frommelt] schreitet sodann zur Abstimmung über die verschiedenen Gesetzesvorlagen und ruft die einzelnen Artikel noch einmal auf: Das Tierschutzgesetz, Schlachtgesetz, Gesetz betr. das Lehrlingswesen und Gesetz betr. die Errichtung einer Gewerbegenossenschaft werden einstimmig, mit Ausnahme der Stimmenthaltung Vogt's beim letzteren, beschlossen und als nicht dringlich erklärt. [4]

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[1] LI LA LTP 1935/086. Der Gesetzentwurf war bereits in der Konferenzsitzung des Landtags vom 19.11.1935 behandelt worden (LI LA LTP 1935/081). 
[2] Vgl. das Protokoll der öffentlichen Landtagssitzung vom 23.10.1935 betreffend das Wirtschafts- und Notstandsprogramm (LI LA LTP 1935/072).
[3] Der Landtag genehmigte das Protokoll über die Verhandlungen der Internationalen Kommission zur Festlegung der Grenze zwischen Österreich, der Schweiz und Liechtenstein.    
[4] Tierschutzgesetz vom 22.1.1936, LGBl. 1936 Nr. 4; Schlachtgesetz vom 22.1.1936, LGBl. 1936 Nr. 5; Gesetz vom 22.1.1936 betreffend das Lehrlingswesen, LGBl. 1936 Nr. 3; Gesetz vom 22.1.1936 betreffend die Errichtung einer Gewerbegenossenschaft, LGBl. 1936 Nr. 2.