Botschaft der Regierung an die Stimmberechtigten, gez. Regierungschef Josef Hoop (Drucksache) [1]
18.8.1937
Botschaft zur Volksabstimmung über das Warenhausgesetz [2]
Kommenden Sonntag habt Ihr über ein Gesetz abzustimmen, das für die wirtschaftliche Zukunft unseres Landes von grösster Bedeutung ist. Ihr sollt Eure Stimme abgeben, ob Ihr den Einbruch ausländischer, überall verpönter Wirtschaftsformen in unser Land duldet, ob Ihr weiterhin das mittelständische Gewerbe unterstützen und damit Euch selbst schützen wollt! Landtag und Regierung haben einstimmig ein Gesetz geschaffen, das dieser neuen Wirtschaftsform den Eingang in unser Land verwehren will. Das einheimische Gewerbe soll berechtigterweise geschützt, sein Niedergang soll verhindert werden.
Im Frühjahr dieses Jahres ist plötzlich unter dem Deckmantel einer gewöhnlichen Handelskonzession ein Migros-Betrieb [3] in Vaduz eröffnet worden. Leider haben die bestehenden Gesetze keine Handhabe geboten, diesen Betrieb sofort einzustellen und Regierung und Landtag haben sich genötigt gesehen, zum Schutze des einheimischen Gewerbestandes ein Spezialgesetz zu schaffen, das weiterhin allen Warenhäusern, Einheitspreisgeschäften usw. den Zutritt in unser Land verwehrt. Es ist bemerkenswert, dass dieses Spezialgesetz einstimmig zustande kam. [4] Wir sind mit diesem Gesetze den uns umgebenden Nachbarn nachgefolgt, welche in dieser Richtung schon längst vorgesorgt haben. Die Schweiz hat die Errichtung weiterer Warenhäuser, Einheitspreisgeschäfte usw. und die Eröffnung bezüglicher Filialen untersagt; Österreich ist sogar noch weiter gegangen, es hat eine Gewerbesperre erlassen und auch das Deutsche Reich hat zum Schutze des Gewerbes weitgehende Schutzmassnahmen erlassen. [5] Diese gesetzlichen Massnahmen sind ausschliesslich zum Schutze des eigenen Privathandels erlassen worden, um die Schädigungen, die diese Grosskonzerne der Wirtschaft geschlagen haben, zu unterbinden oder doch wenigstens weitgehendst zu mildern. Das einheimische Gewerbe führt einen Existenzkampf gegen ausländisches Kapital, gegen eine Wirtschaftsform, die auswärts verpönt ist und nun auch unser Gewerbe zu vernichten droht. Die Gewerbegenossenschaft, der Arbeiterverband, der Bauernverein und der Beamtenverband haben sich verständnisvoll gegen die Duldung solcher Warenhäuser gewandt. Diese Verbände, in denen fast alle Verbraucher zusammengefasst sind, haben eingesehen, dass es höchste Zeit ist, Massnahmen gegen die Einnistung von Warenhäusern und Einheitspreisgeschäften zu treffen. Damit haben diese Spitzenverbände einen Beweis wertvollster Solidarität an den Tag gelegt. Ihr dürft versichert sein, dass diese Verbände nicht ohne ernstliche Prüfung der Verbraucherinteressen dazu gekommen sind, sich für das Gesetz auszusprechen, d.h. dem heimischen Gewerbe in seinem Existenzkampfe beizustehen.
Damit haben diese Spitzenverbände aber auch den Beweis erbracht, dass sie wirtschaftlichen Weitblick haben, dass sie nicht gewillt sind, um eines kleinen scheinbaren Vorteiles willen einen ganzen Gewerbestand zu untergraben, hunderte von kleinen und mittleren Existenzen einfach zu Gunsten ausländischen Grosskapitals zu opfern.
Und die Gründe, die diese Verbände zu ihrem schönen Entschlusse gebracht haben, sind durchaus von allen Volksgenossen zu würdigen: Der einheimische Handel ist in der Lage, seinen Kunden einwandfreie Waren zu gleichen Preisen zu verkaufen, teilweise sind diese Preise sogar unter den Preisen der ausländischen Grosskonkurrenz. Dabei ist nicht zu vergessen, wieviele Liechtensteiner in der mittelständischen Erwerbsart ihre Beschäftigung und ihr Auskommen finden. Wird durch die ausländischen Warenhäuser aber dieser Stand volkswirtschaftlich vernichtet, so sind ebensoviele Existenzen bedroht und die Arbeitslosigkeit wird ärger als je. Dazu kommt dann noch, dass ein Niedergang des Gewerbestandes notgedrungen auch den wirtschaftlichen Ruin zahlreicher Verbraucher zur Folge haben wird. Denn wenn der Gewerbestand wirtschaftlich geschädigt wird, dann muss er eben folgerichtig auch seine Aussenstände hereintreiben. Was das heisst, das können jene ermessen, die bisher ihre Waren auf Kredit gekauft haben und denen ihr Lebensmittelhändler mit grossen Beträgen entgegengekommen ist und auch weiterhin kommt. Anders ist das bei den Warenhäusern! Diese verkaufen nur gegen bar und das ganze Geld wandert sofort ins Ausland. Man hat eingeworfen, dass auch die Usego unter dieses gesetzliche Verbot zu fallen hätte. Dieser Vergleich stimmt nicht, denn die Usego ist eben eine Einkaufsgenossenschaft selbständiger Lebensmittelgeschäfte, also eine Vereinigung dieser Händler, und keine Konkurrenz dieser Geschäfte. Anders die Migros usw. Auf Grund ihrer finanziellen Überlegenheit und mit Hilfe ungewöhnlicher Propaganda- und Geschäftsmethoden führen sie die Zersetzung und den Niedergang der Kleinbetriebe herbei. In den letzten 20 Jahren hat sich der Handelsstand in den meisten Gemeinden vervielfacht. Nicht zu vergessen dabei, dass bei uns der Handelsstand nicht spezialisiert ist und darum dem Händler grosse Allgemeinkosten entstehen.
Die Regierung und der Landtag haben in den letzten Jahren im Interesse der heimischen Wirtschaft enorme Aufwendungen gemacht. Das Jahr 1937 sollte im besonderen den Stempel der Wirtschaft erhalten. Und dieses Jahr der Wirtschaft hat sich auch sehr spürbar gemacht. Handel und Verkehr bewegen sich durchgehends auf steigender Bahn, der Landwirtschaft sind bedeutende Subventionen zugeflossen, der Arbeiterschaft ist ganz besonders durch Arbeitsbeschaffung entgegengekommen worden. Mit verschwindenden Ausnahmen hat heute jeder Arbeit im Lande. Dem Verbraucher vor allem fliesst der Segen dieses Wirtschaftsjahres zu. Darum soll sich der Verbraucher aber auch ernstlich fragen, was er dem Gesamtinteresse schuldig ist. Nicht dazu haben Regierung und Landtag ihre Bemühungen verdoppelt und vermehrfacht, dass der Verbraucher die Ergebnisse dieses Wirtschaftsjahres ausländischen Grosskonzernen zufliessen lässt. Dazu sind denn die Massnahmen der Regierung und des Landtages für die Ankurbelung der Wirtschaft doch nicht da. Die wirtschaftliche Verbundenheit und das Aufeinanderangewiesensein aller Bevölkerungskreise verlangt gebieterisch, dass die Verbraucher dem bedrohten Gewerbestande helfend zur Seite stehen und ihre Stimme für dieses neue Gesetz abgeben. Denn es muss gerade dem Arbeiter daran gelegen sein, dass ein wirtschaftlich gesunder Handelsstand im Lande gedeiht. Nur ein solcher ist fernerhin in der Lage, dem Arbeiter Arbeit zu geben, dem Bauer und Gewerbetreibenden seine Erzeugnisse abzunehmen. Und der Handelsstand wird bestimmt auch fernerhin seine staatsbürgerlichen Pflichten erfüllen: er wird bemüht sein, dem Verbraucher billige und gute Waren zu verkaufen, dem Arbeiter Verdienst zu schaffen, bei künftigen grossen Landeswerken, wie beim Tunnelbau, seine Stimme zum Nutzen der Arbeiterschaft zu geben. Und wir sollten uns doch auch Rechenschaft darüber geben, dass wir fähig sind, uns selbst zu regieren, und dass nicht an uns das ausländische Grosskapital seine Experimente macht, das Geld aus dem Lande holt und damit ausländische Arbeiter verhält. Das soll sich sowohl der Arbeiter als auch der Beamte und der Bauer wie Gewerbetreibende vor Augen halten. Siegt am Sonntag das ausländische Grosskapital, so ist das der herbste Schlag, der die liechtensteinische Volkswirtschaft mitten im Aufbaue treffen konnte. Und das Jahr 1937 müsste eine Krise heraufbeschwören, die nur mehr schwer zu bannen wäre.
Dass dem Verbraucher durch die Annahme des Warenhausgesetzes ein wirtschaftlicher Nachteil erwachsen könnte, ist vollkommen falsch. Preiserhöhungen kann jederzeit auf gesetzlichem Wege begegnet werden und schliesslich besteht die Absicht, eine Preisprüfungsstelle zu schaffen, in welcher die Gewerbegenossenschaft, der Arbeiterverband, der Bauernverein und der Beamtenverband Sitz und Stimme haben. Eine solche Preisprüfungsstelle wäre jederzeit in der Lage, alle Preiserhöhungen zu unterbinden und jeden Schaden vom Verbraucher ferne zu halten.
Vom gesunden Sinne des Liechtensteiners muss erwartet werden, dass er die Massnahmen seiner Regierung und seines Landtages fördert und am Sonntage das Warenhausgesetz mit einem klaren
Ja!
bestätigt. Ein Nein gäbe der Volksgemeinschaft ein schlechtes Zeugnis, und müsste gerade für den Verbraucher schlimmste Folgen haben. Denn ein wirtschaftlicher Niedergang eines grossen Standes wird sich an allen rächen.