Schreiben des Sekretariats des Liechtensteinischen Roten Kreuzes, gez. Friedrich Ritter, Sekretär, an die Regierung [1]
5.11.1945
Betrifft: österr. Ferienkinder zu Nazifamilien
Eine der wesentlichsten Schwierigkeiten, die überwunden werden musste, bevor wir österreichische Ferienkinder zu uns nehmen konnten, bestand darin, dass uns die Besatzungsmächte die Aufnahme solcher Kinder verwehren wollten, weil diese hier Gefahr liefen, neuerdings nazistisch verseucht zu werden. Erst die Zusicherung, dass wir bei der Auswahl der Pflegeeltern auf diese Bedenken strikte Rücksicht nehmen werden, erwirkte die Bewilligung, dass Kinder nach Liechtenstein kommen dürfen.
Nun melden sich jedoch ziemlich zahlreich Pflegeeltern an, die als Nazis landauf, landab bekannt sind.
Um in unserer Weigerung, solchen Pflegeeltern Kinder zuzuweisen, gedeckt zu sein, erbitten wir im Sinne einer Besprechung mit Herrn Viceregierungschef [Ferdinand] Nigg seitens der Fürstlichen Regierung die Ermächtigung, bei der Auswahl der Pflegeeltern Rücksicht nehmen zu dürfen und zu sollen.
Hochachtungsvoll
______________
[1] LI LA RF 235/331b (a).