"Offener Brief" von Bernhard Risch, Redakteur des "Liechtensteiner Volksblatts" und Präsident der Bürgerpartei, im "Liechtensteiner Volksblatt" [1]
8.11.1941
Offener Brief
Das Organ der V.D.B. in Liechtenstein scheint sich seit längerer Zeit ausserordentlich zu gefallen in ständigen Angriffen gegen meine Wenigkeit, sowohl in rein privaten Dingen als auch in meiner derzeitigen Eigenschaft als zeichnender Redaktor des "L. Volksblattes". Zuviel der Ehre, meine Herren, besonders da ich - vielleicht in direktem Gegensatz zu Ihnen - durchaus nicht an Ehrsucht leide.
Wegen der privaten Angriffe und Sticheleien gedenke ich mich denn auch beileibe nicht in ein unfruchtbares Presseduell mit jenen Herren einzulassen. Wäre schade um jeden Tropfen Druckerschwärze. Nur eines möchte ich hier feststellen: Ich werde trotz Ihren Anrempelungen auch weiterhin jedem anständigen Menschen - ob Christ oder Jude - den üblichen Strassengruss in anständiger Weise erwidern, werde mich auch weiterhin getrauen, mit Angehörigen der von Ihrer Seite so verpönten und verfolgten Rasse öffentlich zu reden. Als Mensch und Christ werde ich überhaupt nie für eine unduldsame Verfolgung oder Verachtung Andersgläubiger oder anderer Rassen zu haben sein.
Etwas anderes ist es mit meiner Stellung als zeichnender Redaktor. Da fühle ich mich allerdings unserm Liechtensteiner Volk und Staat gegenüber zu Rechenschaft verpflichtet, wie es übrigens auch Sie wären, meine Herren vom Umbruch. Und aus diesem Grunde sowie aus Rechtlichkeit unserm grossdeutschen Brudervolk gegenüber - nicht wegen Ihnen - möchte ich heute auf einiges eingehen. Zugegeben, dass im Auslandsteil unseres Blattes neben den deutschen Meldungen die gegnerischen Berichte mitunter mehr als nötig zu Worte kommen, weiters dass Sachen rein deutscher Belange oder Reden deutscher Staatsmänner für die Gefühle des deutschen Volkes mitunter vielleicht etwas zu stiefmütterlich behandelt werden, zugegeben auch, dass ungewählte Ausdrücke wie etwa "Jargon" unsererseits grossen Staatsmännern gegenüber nicht am Platze sind usw. Aber alle diese Sachen erhalten erst ihre scharfe Spitze durch die verwerfliche Aufmachung derselben in Ihrem Blatte, meine Herren! Und wenn Sie ehrlich sein wollten, so müssten Sie wissen, dass mir für meine redaktionelle Arbeit leider nicht so viel Zeit, für die Kontrolle unseres Auslandstextes bei der Besonderheit der Ausgabe unseres Blattes auch nicht die gleiche Gelegenheit zur Verfügung steht wie Ihnen beziehungsweise Ihren Herren Redaktoren vom "U". Aber alldies soll schliesslich meinetwegen nicht als Entschuldigung gelten gelassen werden, man wird eben Wege suchen müssen, der Würdigung reichsdeutscher Belange fürderhin weitestgehend gerecht zu werden. Aber bitte, wir beide - Sie und wir - sollen uns bessern. Wir beim "Volksblatt" im Bestreben, alles zu vermeiden, was von unserm befreundeten grossdeutschen Brudervolk und dessen Führer [Adolf Hitler] als Unfreundlichkeit empfunden werden könnte - Sie, meine Herren vom "U" aber dahin, dass Sie nicht mehr länger die Interessen und das Ansehen unseres lieben kleinen Heimatlandes untergraben. Klein, aber unser ist das Haus, das wir bewohnen und keinem steht es an, sein eigen Nest zu besudeln. Und wenn Sie sich gegenwärtig im Ausdruck Krautblatt gefallen, so lässt uns das durchaus kalt wie so mancher andere Ausdruck aus Ihrer Feder. Den richtigen Ausdruck für Ihr Blatt muss ich mir an dieser Stelle allerdings versagen. Das Eine soll noch gesagt sein, dass ich auch weiterhin darauf verzichte, mich in ein Presseduell mit Ihnen einzulassen. [2]
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[1] L.Vo., Nr. 125, 08.11.1941, S. 1.
[2] Eine Entgegnung erfolgte im Umbruch, Nr. 86, 15.11.1941, S. 1 ("Christenpflicht und der offene Brief").