Protokoll der öffentlichen Landtagssitzung, gez. Landtagspräsident Anton Frommelt, Wendelin Beck und Johann Georg Hasler [1]
30.12.1937
3. Gesetz betr. das Dienstverhältnis und die Besoldung der Staatsbeamten, Staatsangestellten und Lehrpersonen
Präsident: Vorgängig dieses Gesetzes [2] ist es notwendig, dass die Frage einer Verfassungsänderung erörtert werde. Es ist in diesem Gesetze der Posten eine[s] allenfalls ständig amtierenden Regierungschefstellvertreters enthalten, der bis an in der Verfassung nur als ein stellvertretender Beamter mit Taggelder[n] festgelegt war. Nachdem durch die Entwicklung der letzten Jahre dieser Posten für den Moment als dauernd erscheint, ist es notwendig, die Verfassung abzuändern.
Er verliest sodann die Vorlage des Verfassungsgesetzes. [3]
Präsident: Ich erachte die Angelegenheit als eine Amtssache und nicht als eine persönliche Sache meinerseits. Sollte es jemand als nicht passend auffassen, dass ich bei der Behandlung zugegen bin, so bitte ich, sich zu äussern (Es meldet sich niemand).
Die Vorlage wird sodann noch einmal verlesen. Das Gesetz wird in der Abstimmung einstimmig angenommen.
Präsident: So kommen wir nun zur Behandlung des Gehaltsgesetzes. Der Landtag hat sich wiederholt mit dieser sozialen Angelegenheit sowohl der Arbeiterschaft wie der Beamtenschaft befasst. Mit Rücksicht auf die günstige Entwicklung des Landes und die steigenden Lebenskosten hat der Landtag eine Besserstellung der Arbeiterschaft durch soziale Versicherungen bewirkt, so durch die Krankenkasse, und auch durch die Höherfestsetzung der Arbeitslöhne ein Entgegenkommen getätigt. Die heute zu regelnde Frage ist durch Jahre hindurch schwebend gewesen, indem das seinerzeitige Gesetz sistiert worden ist. Das alte Gesetz aufzugreifen und in Kraft zu setzen, war nicht tunlich. Die Verhältnisse werden nun in der Vorlage neu geregelt. Die Vorbesprechungen im Konferenzzimmer haben ein befriedigendes Ergebnis dahin gezeigt, dass der Landtag im allgemeinen der Auffassung ist, dass dieses Entgegenkommen, das durchschnittlich eine Besserstellung für Beamte und Angestellte bedeutet, zum Gesetz erhoben werde. Die erste Lesung ist in der Konferenz geschehen. [4]
Es wird die zweite Lesung des Gesetzes vorgenommen.
Präsident: Ist noch jemand, der zu einem Artikel oder zum Gesetze selbst Stellung nehmen möchte.
Dr. [Otto] Schädler: Der Art. 8 hat wegen seiner weiten Fassung einige Bedenken in der Richtung ausgelöst, dass schon eine politische Gesinnung oder Einstellung Veranlassung zur Anwendung dieses Artikels sein könnte. Diese Bedenken wurden schon bei der Vorbesprechung im Konferenzzimmer geäussert. Um diesem entgegentreten zu können, würde ich den Regierungsvertreter ersuchen, eine protokollarische Interpretation dieses Artikels zu geben, wie ich sie schriftlich hier niedergelegt habe und die lautet: "Staatsbeamte, Angestellte und Lehrpersonen sollen wegen ihrer politischen Überzeugung und Einstellung sowie ihrer Betätigung dieser politischen Überzeugung nicht gemassregelt und anderen Beamten, Angestellten und Lehrpersonen gegenüber nicht benachteiligt werden, es wäre denn, dass ein Beamter, Angestellter oder Lehrer sich einer ausgesprochen staatsfeindlichen Tätigkeit schuldig machen würde."
Präsident: Das, was in der Konferenz besprochen worden ist, ist etwas verschärft. Es ist besprochen worden, es dürfe sich der Beamte in seinen Handlungen gegen die Vorgesetzten nicht verletzend benehmen. Seine Gesinnung soll ihm überlassen bleiben. Ich halte diese Fassung für unvereinbar. Es könnte einer das betreiben, was absolut unvereinbar ist mit der Zusammenarbeit der Ämter. Der Beamte darf sich nicht in ungehöriger Weise in seiner Beamtung gegen seine Oberbehörde verfehlen.
Beck Wend. [Wendelin]: Ich möchte den Antrag von Dr. Schädler unterstützen. Eine Interpretation des Art. 8 ist unbedingt notwendig, soferne dem vorliegenden Besoldungsgesetze wahrer demokratischer Geist zugrundegelegt werden soll. Keine Regierung wird sich gefallen lassen, dass sie von Beamten in ungehöriger Weise angeflegelt wird. Wie jedem so bleibt auch der Regierung das Recht an das Landgericht offen.
Präsident: Bei der Besprechung wurde von einem ungehörigen Betragen des Beamten gesprochen, das ist nun zu einem staatsfeindlichen Betragen ausgearbeitet worden. Jede Richtung, die die Verantwortung tragen muss, muss eine so weitgehende Sache ablehnen. Wer entscheidet dann über die Staastgefährlichkeit des Beamten. Ein Beamter kann persönliche Grobheiten machen. Eine gewisse Sanktion für pflichtschuldiges Verhalten und ein absolut nicht gegen die Arbeit der Regierung gerichtetes Verhalten muss im Gesetze gewährleistet werden. Soweit würde ich nicht gehen.
Dr. Schädler: Wir würden die Beamten politisch vollständig rechtlos machen, wenn wir nicht eine genaue Umschreibung dieses Artikels herbeiführen. Der Artikel ist wortgetreu aus dem St. Gallischen übernommen worden. Eine Anfrage bei den zuständigen Behörden in St. Gallen hat die genaue Interpretation dieses Artikels im Kt. St. Gallen ergeben. (Dr. Schädler verliest die schriftliche Antwort).
Präsident: Man hat festgestellt, dass das Vorgehen gegen die Absichten der Regierung ein solches Vorgehen darstellen würde. Es kann nichts staatsgefährliches sein, aber es kann die planmässigen Arbeiten der Regeirung verunmöglichen. Das Gericht müsste umschreiben, was staatsgefährlich ist.
Reg.Chef [Josef Hoop]: Ich hätte grundsätzlich gar keine Bedenken, dieser Interpretation zuzustimmen. Wenn einer gegen Art. 4 sich verstösst, kann man ihn massregeln. Wegen politischer Überzeugung oder Einstellung haben wir nie einen Beamten gemassregelt und werden wir keinen massregeln. Wir hätten hiezu reichlich Gelegenheit gehabt, haben es aber nie getan. Aber der Wortlaut der Interpretation geht zu weit. Es darf unter keinen Umständen das Wort "staatsfeindlich" heissen. Darunter versteht man einen Kommunisten, Anarchisten & Nihilisten. Solche Leute schaltet man heute von jeder Mitarbeit im öffentlichen Leben aus. Ich könnte höchstens die Zustimmung geben zu dem Worte "staatsschädigend", dann lasse ich mir unter Vorbehalt einer nochmaligen Einsicht in die schriftliche Interpretation diese gefallen.
Dr Schädler: Ich gebe mich damit zufrieden, wenn anstatt des Wortes "staatsfeindlich" das Wort "staatsschädigend" gesetzt wird.
Reg.Chef: Dann hat aber auch der Reg.Chef & Stellvertreter das Recht zu politisieren.
Der Landtag ist in der Abstimmung über diesen Antrag Dr. Schädler's einstimmig mit dieser authentischen Erklärung und dieser Interpretation der bezgl. Fassung des Art. 8, die sich lediglich auf die Worte "... oder sonstigen mit der Ausübung des Amtes oder Dienstes unvereinbaren Verhalte[n]s" bezieht, einverstanden.
Sodann schreitet der Landtag zur Lesung des Gesetzes betr. die Versicherungskasse. [5]
[...]
Nach der zweiten Lesung stellt Abg. [Peter] Büchel den Antrag, eine weitere Redaktion des Gesetzes im Konferenzzimmer vorzunehmen, da noch verschiedene Abklärungen notwendig seien, so bezgl. der Pensionierung des Regierungschef[s] und Regierungschefstellvertreters etz.
Dem Antrag wird stattgegeben und der Landtag zieht sich wieder ins Konferenzzimmer zurück. [6]
Fortsetzung der öffentlichen Sitzung im Landtagssaale nachmittags 5 Uhr.
Präsident: Die beiden Gesetze betr. Versicherung und Gehalt der Beamten sind in wiederholten Konferenzsitzungen durchberaten und besprochen worden. Wir sind nun bei der 3. Lesung angelangt. Dieselbe wird vorgenommen.
1. Gehaltsgesetz
In Art. 2 beantragt Reg.Chef die verfassungsmässige Eidesformel aufzunehmen.
In Art. 10 [7] beantragt Vogt Basil, vor das Wort Unfallprämie das Wort "die" zu setzen, was gemacht wird.
Dr. Schädler wünscht Aufschluss über den Abs. 2 des Art. 19, was unter aussergewöhnlich langer Dienstzeit verstanden werde.
Präsident klärt auf, dass darunter nur ganz ältere Beamte zu verstehen seien, womit sich Dr. Schädler zufrieden gibt.
Nachdem keine weiteren Aufklärungen gewünscht werden, schreitet der Präsident zur Abstimmung über das Gehaltsgesetz, das einstimmig angenommen wird.