Artikel der Leitung des Heimatdiensts im "Liechtensteiner Heimatdienst" [1]
11.4.1934
Zur Regierungsversammlung in Schaan
Nachdem die beiden Referenten der Versammlung sich mit dem Liechtensteiner Heimatdienst auseinandersetzten und sich in nicht misszuverstehender Weise mit uns in Gegensatz brachten, sehen wir uns gezwungen, zu derselben Stellung zu nehmen. [2] Mit dem Referat des Herrn Regierungschefstellvertreter Pfarrer [Anton] Frommelt haben wir uns in einem offenen Brief an Herrn Pfarrer Frommelt beschäftigt, [3] so dass eine Stellungnahme zu demselben in diesem Aufsatz erspart werden kann. Zu den Ausführungen des Herrn Regierungschef Dr. [Josef] Hoop nehmen wir nur insoweit Stellung, als dieselben mittelbar oder unmittelbar den Heimatdienst berühren.
Wir haben zu Beginn unserer Bewegung Herrn Regierungschef Dr. Hoop erklärt, dass wir der gegenwärtigen Regierung vollständig neutral und objektiv gegenüberstehen, dass wir nicht die Absicht hätten, zu ihr in irgendeiner Form in Opposition zu treten. [4] Wir fühlten uns damals zur Abgabe dieser Erklärung aus der Überlegung heraus veranlasst, dass eine Umgestaltung der politischen Verhältnisse in Liechtenstein wohl nur im Gegensatz und in rücksichtsloser Opposition zu den Parteien, also auch zu der Bürgerpartei, möglich sei, dass sie aber keine Opposition zu der Landesregierung selbst bedinge. Es sollte nach unserer damaligen Ansicht möglich sein, die gegenwärtige Regierung als Repräsentant des ganzen liechtensteinischen Volkes als über den Parteien stehend zu erhalten. Wir erklärten Herrn Regierungschef Dr. Hoop in der gleichen Unterredung, dass wir keine Personenpolitik zu machen gedenken, dass wir deshalb auch keine Persönlichkeiten der Regierung oder der Gegenparteien, sondern lediglich das Parteisystem als solches angreifen würden. Es liesse sich allerdings in diesem Kampf für oder gegen das Parteisystem nicht vermeiden, dass sich Personen, die sich mit dem Parteisystem identifizieren, auch persönlich angegriffen fühlten, wir hofften jedoch nicht, dass dies bei der Regierung der Fall sein würde. Herr Regierungschef erklärte damals, dass unsere Überlegung ganz richtig sei, dass wir aber keine Angst haben müssten, dass sich die Regierung mit dem Parteisystem identifiziere und sich damit durch einen Kampf gegen das Parteisystem angegriffen fühle.
Wir sind dann unseren Grundsätzen bis heute treu geblieben, haben in der Presse und in unseren Referaten es sorgfältig vermieden, persönlich zu werden oder gegen die Regierung in Opposition zu treten. Unser ganzer Kampf galt dem Parteisystem und seinen Auswüchsen. Wobei wir immer wieder betonten, dass wir für diese Auswüchse in erster Linie das System verantwortlich machen, und dass manches, was wir zu kritisieren gezwungen wären, als Unvermeidlichkeiten des Parteisystems zu betrachten sei und nicht auf das Schuldkonto der eine oder anderen Person gebucht werden dürfte. Wir haben uns immer bemüht, das, was in den letzten Jahren gearbeitet worden war, auch anzuerkennen, wovon allerdings die Parteipresse nie Notiz zu nehmen sich bemüssigt fühlte, weil es ihr offenbar lieber war, uns als absolute Verneiner all dessen, was früher war, angeprangert zu sehen. Wir haben an unserem Grundsatz, den politischen Kampf unpersönlich zu führen, auch festgehalten, als uns persönliche Gehässigkeiten des "Liechtensteiner Volksblattes" diesen Weg fast unmöglich machten; wir haben unsere journalistischen Grundsätze auch hochgehalten, als der Kampf der Parteipresse sich so ins rein persönliche zuspitzte, dass es uns nur mit der grössten Überwindung mehr möglich schien, nicht denselben persönlich-polemischen Weg einzuschlagen.
Zu einer Kritik an irgendwelchen Regierungsmassnahmen konnten wir uns erst entschliessen, als es offensichtlich wurde, dass sich die Regierung selbst unter dem Druck der Machthaber der Bürgerpartei zu einem Kampf gegen den Liechtensteiner Heimatdienst zu rüsten begann. Das war der Fall bei dem Beamtenerlass [5] und dem Verbot unserer Versammlung in Gamprin. [6] Diese beiden Entscheidungen haben uns, nachdem schon frühere Anzeichen eine Auseinandersetzung der fürstlichen Regierung mit dem LHD. deuten liessen, klar gemacht, dass die Regierung entschlossen war, den Standpunkt unbeirrbarer Neutralität zu verlassen und sich im Dienste der Bürgerpartei als Kampfmittel gegen den Heimatdienst verwenden zu lassen.
Bei der letzten Regierungsversammlung wurde das, was wir schon längst befürchteten, Wirklichkeit. Die Regierung stellt sich schützend vor das Parteisystem und zwingt uns damit, unsere im Herbst abgegebene Neutralitätserklärung zurückzunehmen, da sie gegenstandslos geworden ist, denn eine einseitige Neutralität ist begrifflich nicht möglich und eine einseitige Bindung nicht billig. Wir sehen uns daher, so leid uns diese von uns nicht gewünschte Entwicklung tut, veranlasst, künftighin auch mit der Regierung in offenen Gegensatz zu treten, so weit es um unser Programm geht. Aber wir betonen, nicht der in derselben stehenden Personen wegen, sondern deswegen, weil sie sich zum Repräsentanten einer Partei gemacht hat. Aber diese Neutralitätserklärung kann jederzeit wieder eingeholt werden, wenn die Regierung sich entschliessen könnte, den Parteistandpunkt zu verlassen.
Nun zu den einzelnen Ausführungen des Herrn Regierungschef in der Regierungsversammlung in Schaan. Dass Herr Regierungschef den Beamtenerlass als verfassungsmässig verteidigte, finden wir begreiflich, da wir ihm gar nicht zumuten wollen, eine Entscheidung der Gesamtregierung zu desavouieren. Was wir aber unbegreiflich und als nationale Würdelosigkeit empfinden, das ist der Umstand, dass sich die fürstliche Regierung ein Gutachten einer ausländischen Behörde einholt, um ihrer eigenen Entscheidung die ihr im Inland fehlende Stütze zu geben. Herr Regierungschef verlas in der Versammlung nach der Meldung des Volksblattes eine Entscheidung der Kreispostdirektion St. Gallen, wonach diese den liechtensteinischen Postbeamten mitteilen lässt: [7] Diese Stellung der fürstlichen Regierung steht in voller Übereinstimmung mit der Auffassung der schweizerischen Bundesbehörden gegenüber dem eidgenössischen Personal. Art. 24 des Bundesgesetzes über das Dienstverhältnis der Bundesbeamten bestimmt, dass sich der Beamte durch sein Verhalten in und ausser Dienst der Achtung und des Vertrauens würdig zu erweisen hat, die seine amtliche Stellung erfordert. (Es folgt eine Massreglung eines Bundesbeamten, der gegen den Staat hetzte.) Dann fährt die Postdirektion weiter: Das liechtensteinische Postpersonal könnte demnach nicht rechnen, für eine politische Betätigung ungehöriger Art gemassregelt zu werden (hier ist offenbar ein Auslassungsfehler des LV. [Liechtensteiner Volkblatts] zu bemerken, es müsste wahrscheinlich heissen, nicht gemassregelt zu werden), weil es von der schweizerischen Postverwaltung gewählt ist, sondern hätte zu gewärtigen, dass die Postdirektion im Einvernehmen mit der Regierung einschritte.
Abgesehen davon, dass die Kreispostdirektion von St. Gallen, nachdem sie um eine Stellungnahme zu dem Beamtenerlass bezüglich ihrer eigenen Beamten ersucht wurde, gar nicht anders konnte, als diese an sich schon vorsichtige Erklärung abzugeben, wollte sie eine Entscheidung der liechtensteinischen Regierung nicht desavouieren, können wir ihr gar nicht des Recht zubilligen, sich in innerpolitische Verhältnisse Liechtensteins einzumischen. Sie könnte auch auf Grund dieser Erklärung gegen einen ihrer liechtensteinischen Beamten nur wegen grober Disziplinwidrigkeit, nicht aber wegen blosser politischer Betätigung einschreiten, da sie sich sonst eines unzulässigen Eingriffes in innerpolitische Verhältnisse Liechtensteins schuldig machte, was wir ihrer Objektivität nicht zumuten. Auch in der Schweiz wird ein Beamter niemals wegen seiner politischen Überzeugung und deswegen, weil er dieser politischen Überzeugung auch offen Ausdruck verleiht, disziplinarisch gemassregelt, sondern nur dann, wenn er sich einer Disziplinwidrigkeit schuldig macht oder gegen die Grundlagen des Staates überhaupt anrennt. Nur ein ausgesprochener Staatsfeind gewärtigt in der Schweiz wegen seiner politischen Überzeugung gemassregelt zu werden, niemals aber ein bloss parteioppositionell eingestellter Beamter. Als Staatsfeind ist aber jemand noch lange nicht zu betrachten, wenn er den politischen Anschauungen der herrschenden Richtung nicht zu folgen vermag, sondern erst dann, wenn er den Staat schlechthin bekämpft, also als ausgesprochener Anarchist oder Bolschewist. Solche Beamte aber gibt es in Liechtenstein nicht. Unsere Beamten sind alle staatstreu, mögen sie nun bürgerparteilich oder volksparteilich eingestellt sein oder mögen sie sich dem Heimatdienst offen oder zurückhaltend anschliessen. Es ist daher eine ungeheuerliche Zumutung an sie, wenn sie sich ihrer politischen Anschauung wegen als Staatsfeinde behandeln lassen sollen. Der Beamtenerlass kann daher nur den einen Sinn haben, er soll eine Monopolstellung der Bürgerpartei im Beamtenwesen schaffen. Damit aber werden die Beamten einer ungeheuren Gefahr ausgesetzt. Sie werden gezwungen, entweder den Staatsdienst zu quittieren oder auf ihr Recht der freien Meinungsäusserung zu verzichten oder aber sich als politische Gesinnungslumpen zu produzieren, und sich in ihren politischen Anschauungen immer dort anzuschliessen, wo gerade zufällig die Macht steht. Denn mit diesem Beamtenerlass gibt die heutige Regierung auch einer anders zusammengesetzten Regierung die Legitimation, die Beamten unter ihre geistige Knute zu zwingen.
Das wäre aber keineswegs geeignet, die Achtung vor den liechtensteinischen Beamten zu stärken. Wenn die liechtensteinische Bevölkerung den Beamten trotz alledem ihre Achtung nicht versagt, so nur im Vertrauen auf den gesunden Sinn der liechtensteinischen Beamtenschaft. Wir selbst haben volles Vertrauen in die liechtensteinischen Beamten, gleich welcher politischen Gesinnung sie sein mögen, weil wir glauben, dass auch ein Beamter, der der herrschenden Richtung nicht in allem zu folgen bereit ist, sehr wohl seine Pflicht voll und ganz erfüllen kann. Dass sich ein Beamter in seiner politischen Betätigung Zurückhaltung auferlegt, ist nicht nur klug, sondern auch notwendig. Wir müssen aber feststellen, dass sich gerade nicht-bürgerparteilich eingestellten Beamten dieser Zurückhaltung auch befleissen, während man dies, bei manchen Beamten, die der herrschenden Richtung angehören, nicht behaupten kann.
Auf das Versammlungsverbot in Gamprin gehen wir nicht weiter ein, unsere Stellung zu demselben bleibt nach wie vor dieselbe. [8]
Wohl aber müssen wir auf den Vorwurf des Herrn Regierungschef und des Herrn Fritz Walser noch eingehen, der Liechtensteiner Heimatdienst leiste nur der Volkspartei Schützenhilfe. Programm und Ziele des Liechtensteiner Heimatdienstes und der Volkspartei sind so grundverschieden, und zwischen den beiden Leitungen besteht so wenig Zusammenhang, dass nur parteipolitische Mache zu diesen Vorwürfen kommen kann. Wenn die Volkspartei in ihrem Kampf gegen den Heimatdienst jedoch sachlich bleibt und jede gehässige Spitze vermeidet, so spricht dies nur für die Volkspartei, nicht aber gegen den Heimatdienst, ändert aber an der Verschiedenheit der Ziele gar nichts. Aus allen diesen Vorwürfen spricht eine erschreckende Mentalität der Parteipolitik, die immer noch in dem Gegner nicht den Liechtensteiner, sondern eben nur den Angehörigen der Gegenpartei sieht und ihn nur als Staatsbürger minderen Rechtes betrachten will. Aus allen diesen Einwänden spricht der Wille, alle, die nicht der Bürgerpartei angehören oder angehörten, Zeit ihres Lebens als verfehmt anzusehen.
Uns aber ist jeder Liechtensteiner, mag er früher der Bürgerpartei, der Volkspartei oder keiner von beiden angehört haben, gleich viel wert. Wir verlangen bei der Aufnahme in den Heimatdienst keinen Parteiausweis, sondern einzig und allein liechtensteinsche Gesinnung und wir werden trotz diesen Anrempelungen an diesem Grundsatz festhalten.
Die Leitung des LHD.