Der Steuerkommissär Ludwig Hasler warnt vor den Folgen der Heimatdienst-Demonstration für den Finanzplatz


Schreiben der Steuerverwaltung, gez. Steuerkommissär Ludwig Hasler, an die Regierung [1]

10.12.1934

Der Gefertigte fühlt sich verpflichtet, die fürstliche Regierung auf die Folgen der gestrigen Demonstration [2] aufmerksam zu machen und erlaubt sich insbesondere darauf hinzuweisen, dass es der Ruin unserer Staatseinnahmen auf dem Gebiete der Gesellschaftssteuern bedeuten würde, wenn nationalsozialistische Ideen im Lande aufkommen und dominieren würden.

Heute morgen wurde ich verschiedentlich aus der Schweiz und dabei besonders von Zürcher Grossbanken, die mich persönlich gut kennen und hier einen grossen Teile der Holdingunternehmungen auf dem finanziellen Gebiete beraten, telephonisch angerufen, was denn die gestrige Demonstration zu bedeuten habe, gegen wen die Demonstration gerichtet sei, ob es eine Umwälzung (revolutionäre) gebe und ob insbesondere die neue Bewegung antisemitischen Einschlag hätte und insbesondere gegen das Judentum und dessen Kapital gerichtet sei.

Im Interesse der Erhaltung unserer Staatsfinanzen habe ich sofort beruhigende Erklärungen abgegeben und dabei insbesondere darauf hingewiesen, dass die Bewegung der Heimatdienst nicht im geringsten nationalsozialistische Ideen vertrete und auch keine antisemitischen Bestrebungen hier bemerkbar seien.

Ich erlaube darauf hinzuweisen, dass wir in dieser Richtung beruhigende Erklärungen abgeben müssen, wenn wir für die Erhaltung der Landesfinanzen besorgt sein wollen und dass es richtig wäre, wenn unsere Presse auch einschliesslich der Heimatdienst in dieser Richtung beruhigende Erklärungen abgeben würde. Zu Ihrer Orientierung teile ich Ihnen mit zu vertraulichen Behandlung, dass nach meiner Schätzung und Übersicht weit über 50% des hier investierten Kapitals von Juden stammt oder zumindest von diesen kontrolliert wird und es deshalb sehr gefährlich ist, Befürchtungen aufkommen zu lassen. Nach all den Verfolgungen, denen die Juden in Deutschland, Ungarn neuerdings in Polen und C. S. R. ausgesetzt waren, sind diese sehr gewitzigt. Zu allerletzt haben dann nicht die Juden, sondern der betr. Staat den Schaden.

In der heutigen schweren Zeit, die uns sehr grosse Mühe kostet den jetzigen Bestand der Staatseinnahmen zu erhalten, ist kein Platz für Experimente, weshalb wir eine Beruhigung für sehr notwendig halten.

Hochachtungsvoll

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[1] LI LA RF 149/139/027.
[2] Die Demonstration des Heimatdienstes vom 9.12.1934.