Protokoll der öffentlichen Landtagssitzung, gez. Wendelin Beck, Ferdinand Heidegger, Emil Batliner, Johann Georg Hasler [1]
11.3.1939
Präsident [Anton Frommelt]: Ich möchte die Herren Abgeordneten zur öffentlichen Sitzung begrüssen. Es wären noch einige Gesetzesentwürfe vorhanden, so wegen der Landesvermessung und einer bezgl. des Schutzes des Staates. Letzterer steht scheinbar noch in Behandlung bei den Parteien und ist an den Landtag noch nicht angelangt. Ich möchte das betonen, um den Initianten zu sagen, dass die Sache nicht auf die Seite gelegt worden ist. Das Gesetz bezgl. der Landesvermessung hat noch keine Eile und die Abänderung des Sparkassegesetzes verträgt auch noch eine Verschiebung. Als einziger Punkt steht die Auflösung des Landtages zur Behandlung. Der Landtag tritt heute in ausserordentlicher Sitzung zur Behandlung einer auch ganz ausserordentlichen Sache zusammen. Der Landtag steht vor dem Beschlusse, seine Tätigkeit abzuschliessen und die Verantwortung für seine Tätigkeit zurückzulegen. Wir sind uns bewusst, dass diese Angelegenheit über das in der Verfassung ausgesprochene Wort hinausgeht und ich sehe mich deswegen veranlasst, die Begründung zu betonen, damit man gegen uns nicht den Vorhalt verantwortungsloser Mandatsniederlegung erheben kann. Ich betone, dass die Mandatsniederlegung über das geschriebene Wort der Verfassung hinausgehe, bin aber überzeugt, dass wir trotzdem im Sinne der Verfassung handeln und uns deshalb rechtfertigen können. Die Verfassung sieht für die Auflösung zwei Möglichkeiten vor: Die Auflösung durch den Fürsten aus erheblichen Gründen, die dem Landtag in einer Sitzung mitzuteilen sind und die Volksabstimmung über dessen Auflösung. Die Hohe Entschliessung unseres Landesfürsten scheint für diesen Fall vorzuliegen, eine Volksabstimmung über den Gegenstand wurde nicht durchgeführt.
Wir werden zur Kenntnis nehmen, aus welchen erheblichen Gründen Seine Durchlaucht der Landesfürst [Franz Josef II.] den Landtag aufzulösen sich entschlossen haben. Auf jeden Fall möchte ich beifügen, ich bin fest überzeugt, von dem rechtlichen Denken unseres jungen Fürsten und somit auch überzeugt, dass er auf jeden Fall nicht anders als verfassungsmässig handeln wollte. Andererseits bin ich allerdings zu sehr Demokrat, um ohne weiters einzusehen, warum eine Volksabstimmung nicht durchgeführt wurde über diese Angelegenheit. Wir haben unsere Mandate vom Volke entgegengenommen und legen heute unsere Mandate in die Hände unseres Auftraggebers zurück. Wenn auch eine Volksabstimmung nicht durchgeführt wurde, dürfen wir dennoch das stillschweigende Einverständnis des Volkes voraussetzen und zwar aus der geschichtlichen Entwicklung der letzten Monate. Im Frühjahr sind die Friedensverhandlungen zwischen den beiden Parteien aufgenommen worden. Im Vollzuge dieser Verhandlungen ist die Regierung umgebildet worden und das Proporzgesetz [2] dringlich erlassen worden. In weiterer Auswirkung soll nun auch der Landtag neu bestellt werden. Nachdem das Volk gegen den Gang dieser Verhandlungen keinen Einspruch erhoben und auch eine Initiative gegen das dringlich erklärte Gesetz bis jetzt nicht eingebracht worden ist, dürfen wir also das Einverständnis des Volkes für diese weitere Konsequenz der Auflösung des Landtages voraussetzen. Auf jeden Fall aber möchte ich es ablehnen, einerseits gegen uns einen Vorwurf erheben zu lassen, als wären wir nicht pflichtbewusst und andererseits den Vorwurf aufstellen zu lassen, als würde Liechtenstein von seinen demokratischen Traditionen abrücken. Nur unter diesen letzten Voraussetzung und im Zusammenhange mit der vorhandenen Hohen Entschliessung Seiner Durchlaucht sehe ich uns berechtigt, unsere Mandate dem Volke zurückzulegen und damit auch die Verantwortung für unsere Arbeit niederzulegen. Ich darf immerhin mit berechtigtem Stolz den Herren des Landtages danken für die Mitarbeit in der Arbeit, die die letzten Jahre hindurch geschehen und betonen, dass wir mit dem befriedigten Gefühl unsere Arbeit niederlegen, ehrlich und aufrichtig dem Lande gedient zu haben und keinen Grund irgendwelcher unverantwortlicher Art für unsere Auflösung entgegennehmen zu müssen. Ich möchte in diesem Sinne nochmals meinen Dank aussprechen und die Herren des Landtages ersuchen, zum Zeichen des Vertrauens und der Anerkennung unseres Landesfürsten sich von den Sitzen zu erheben. (Alle Herren Abgeordneten erheben sich von ihren Sitzen). Möge der Entschluss dem gesteckten Ziele, dem tieferen Frieden unseres Volkes zugute kommen.
Wir sind nun in der Lage, den geschäftsführenden Landesausschuss zu wählen, damit für die Zwischenzeit die geschäftsmässige Behörde da ist. Es ist der Vorschlag gefallen, die Herren der Finanzkommission mit dieser besonderen Aufgabe zu betrauen. Will jemand einen anderen Vorschlag machen? Es scheint nicht der Fall zu sein. Wer damit einverstanden ist, dass mit den Aufgaben des Landesausschusses die Finanzkommission betraut werde, möge dies mit Handerheben kundtun. Die Abstimmung ergibt Stimmeneinhelligkeit für diesen Vorschlag. Damit hätten wir unsere Amtstätigkeit abgeschlossen und ich wiederhole nochmals meinen Dank an die Herren Abgeordneten.
Dr. [Alois] Vogt: Ich möchte, bevor ich zur Auflösung des Landtages schreite, noch einen kurzen Rückblick geben ganz allgemeiner Natur. Der bestehende Landtag hat seine Arbeit zum Wohle des Landes zur Verfügung gestellt, wofür ihnen der Dank des Landtages gebührt. Ich möchte darauf hinweisen, dass auf dem Gebiete der Arbeitsbeschaffung, der Landwirtschaft und des Gewerbes während der letzten Landtagsperiode Verschiedenes geschaffen wurde, was uns und unseren Nachkommen von ungeheurem Werte sein wird. Ich verweise auf die allgemein üblichen Subventionen, auf die Subventionen für das bangkranke Vieh, deren Zweck zwar teilweise umstritten war, der aber immerhin eine grosse Bedeutung zugekommen ist deswegen, weil das Land von gefährlichen Tieren befreit wurde und auch verschiedene Tiere vom Markt verschwunden sind. Insbesonders ist darauf hinzuweisen auf die Subventionierung landwirtschaftlicher Maschinen, da das Land darauf angewiesen ist, eine Intensivierung der Landwirtschaft vorzunehmen. Es ist ein grosser Mangel an landwirtschaftlichen Arbeitskräften und deshalb hat der Landtag die Anschaffung landwirtschaftlicher Maschinen bewilligt. Nicht vergessen möchte ich die Subventionen für Bodenkultur, Entwässerungen und insbesondere die Entwässerungen im Unterland. Auch das Gewerbe kann sich nicht beklagen über die Haltung des Landtages. Ich verweise auf die Schaffung des Warenhausgesetzes, des Lehrlingsgesetzes und des Arbeiterschutzgesetzes. Das Baugewerbe hat erhebliche Vorteile gehabt durch die vielen Strassenbauten und Subventionen für Bauten und Häuser. Ich möchte nur auf die wunderbare Strasse in Malbun verweisen und ich hoffe, dass dem kommenden Landtag die Möglichkeit besteht, dass in absehbarer Zeit die Tunnelfrage positiv erledigt wird. Ich möchte hinweisen auf die Bedeutung unseres Binnenkanales, der sich langsam über die Grenzen des Unterlandes hinaufzieht, dann auf die Rüfebauten, die sich ausserordentlich bewährt haben. Der Kanal und die Rüfebauten werden die Leistungen sein, die für unsere Nachkommen von bleibendem grossen Werte sein werden.
Präsident stellt den Antrag, die Genehmigung dieses Protokolles dem Landesausschusse zu übertragen, was einhellig gebilligt wird.
Dr. Vogt: Namens und im Auftrage Seiner Durchlaucht des Landesfürsten löse ich hiemit gestützt auf das Dekret Seiner Durchlaucht vom 11. März den Landtag auf.
Die Gründe liegen in der politischen Lage begründet und zwar, weil das Proporzgesetz vom Landtage angenommen wurde und vom Volke in keiner Weise angefochten worden ist. Die Schaffung des Proporzgesetzes ist eine Vereinbarung der liechtensteinischen Parteien und die logische Folge war die Neubestellung des Landtages. Seine Durchlaucht waren sich wohl bewusst, dass er mit der Auflösung des Landtages nicht eine diktatorische Handlung unternimmt, sondern im Einverständnis mit Landtag und Volk ihn auflöst. Eine weitere Begründung erübrigt sich durch die Zustimmung des Volkes, das das Proporzgesetz als Grundlage für die künftigen Wahlen erachtet hat. Auch der Landtag hat seine Zustimmung zur Auflösung gegeben.
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[1] LI LA LTP 1939/036.
[2] Siehe das Gesetz vom 18. Januar 1939 über die Einführung des Verhältniswahlrechtes, LGBl. 1939 Nr. 4.