Fürst Franz Josef II. von Liechtenstein eröffnet den Landtag


Protokoll der öffentlichen Landtagssitzung, gez. Franz Eberle und Florian Kindle [1]

13.4.1939

Seine Durchlaucht Fürst Franz [Josef] II.] eröffnete die Sitzung und hielt folgende Thronrede:

Es ist mir eine besondere Freude, in diesem Jahre den Landtag selber eröffnen zu können. Vorerst möchte Ich Meiner grossen Genugtuung Ausdruck darüber geben, dass Sie auf dem Wege friedlicher Vereinbarungen der Parteien unter Ausschaltung jeden Wahlkampfes und unter einmütiger Zustimmung unseres Volkes in Ihr Amt berufen worden sind. [2]

Ich danke Meinem Volke für die hohe Einsicht, die es, das Gebot der Zeit erkennend, bewiesen hat. Sie selbst meine Herren Abgeordneten beglückwünsche Ich zu dem Vertrauen, das Ihnen entgegengebracht wurde.

In dieser ernsten Zeit erwartet Sie ein Aufgabenkreis, umfangreicher und schwerer als je. Unseren Vorfahren ist es gelungen, unsere kleine Heimat durch alle Wirrnisse und Nöte der Zeiten ihren Kindern zu sichern und zu einem friedlichen Gedeihen und stillen Glück zu führen. Ihnen, Meine Herren Abgeordneten, obliegt es, gemeinsam mit Mir und Meiner Regierung diese Tradition weiterzuführen und nach bestem Wissen und Gewissen alles zu tun, um diese Heimat uns und unseren Nachkommen zu erhalten. Ihnen obliegt es weiter, das Wohl des Landes mit treuer Anhänglichkeit an die Grundsätze der Verfassung zu fördern. Sie haben dem Lande Gesetze zu geben, welche die besonderen Verhältnisse der Zeit erfordern. Sie haben es sich angelegen sein zu lassen, das wirtschaftliche Wohlergehen aller Stände unseres Volkes zu fördern. Auch Sie haben mitzuwirken, wenn es sich um die Gestaltung unserer Aussenpolitischen Beziehungen handelt, hinsichtlich welcher Wir nur einer Meinung sind: Freundschaftliche Beziehungen zu allen unseren Nachbarstaaten und Aufrechterhaltung und Vertiefung unserer wirtschaftlichen Verträge mit der Schweiz.

Ich ersuche Sie, durch ernste Zusammenarbeit unserem Volke zu beweisen, dass Eintracht stark macht und Erfolg bringt. Soweit Ich bei der Lösung Ihrer Aufgaben mitzuwirken berufen bin, versichere Ich Sie Meines grössten Interesses an allen Mein Land berührenden Fragen und Meiner vollsten Unterstützung. Auch Meine Regierung versichert Sie ihrer steten loyalen Mitarbeit. Ich bin überzeugt, dass Sie mit bestem Willen an Ihre Arbeit gehen. Ich wünsche Ihnen viel Erfolg und den Segen des Allerhöchsten, mit dessen Hilfe es Unserem Lande vergönnt sein möge, auch fernerhin alle Fährnisse der Zeiten zu überwinden und Unserem braven Volke Ruhe, Friede, Wohlstand und Glück zu erhalten.

Ich bitte Sie nunmehr, Meine Herren Abgeordneten, in Meine Hände folgenden Eid abzulegen:

„Ich gelobe, die Staatsverfassung und die bestehenden Gesetze zu halten und in dem Landtage das Wohl des Vaterlandes ohne Nebenrücksichten nach bestem Wissen und Gewissen zu fördern, so wahr mir Gott helfe!"

Hierauf traten sämtliche Abgeordnete vor Seine Durchlaucht den Landesfürsten und legten diesen Eid in seine Hände.

Hierauf entfernen sich SD [3] der Landesfürst und SD Prinz Emanuel.

Alterspräsident Rudolf Matt übernahm den Vorsitz und führte aus:

Hoher Landtag!

Als ältestes Mitglied des neu gewählten Landtages habe ich die Ehre, denselben zu eröffnene und bis zur Wahl des Präsidenten zu leiten. Ich eröffne hiemit die heutige konstituierende Sitzung des Landtages in der bestimmten Hoffnung und Erwartung, dass wir, die wir nach dem Willen des Volkes gemeinsam mit Seiner Durchlaucht dem Landesfürsten die Geschicke unserer Heimat durch vier Jahre hindurch leiten sollen, in einträchtiger, verständnisvoller und wirksamer Zusammenarbeit mit Erfolg unserem kleinen Heimatlande dienen können.

Die Zeit, in der wir das verantwortungsvolle Amt antreten, ist ernst und voller Gefahren, die es mit Ruhe und Besonnenheit und vor allem mit gegenseitigem Vertrauen zu überwinden gilt. Die Erhaltung der Selbständigkeit unseres kleinen Staatswesens, die Sicherung der materiellen Existenz und die Wahrung der Moral und der ideeellen Substanz unseres Volkes ist die hehre und grosse Aufgabe, die wir übernommen haben. In der Erhaltung unserer Staatsverträge mit der schweizerischen Eidgenossenschaft, in deren Ausbau und Vertiefung auf der Grundlage gegenseitigen Vertrauens und wirklicher Freundschaft und in der Herstellung bezw. Erhaltung eines durchaus freundschaftlichen Verhältnisses zum deutschen Reiche, sehe ich die künftigen aussenpolitischen Existenzgrundlagen unseres Landes. Unseren grössten und wirksamsten Schutz aber finden wir in der Person unseres Durchlauchtigsten Landesfürsten, der mit gütiger und weiser Hand die Geschicke unseres Landes leitet. Zu ihm wollen wir in bedingungsloser Treue stehen für heute und für alle Zukunft. Gebe der gütige Gott, dass wir der uns gestellten Aufgabe gerecht werden und so in treuem Zusammenhalten Volk, Fürst und Heimat dienen. Wir treten nun zu den Wahlen.

[...]

Landtagspräsident [Anton] Frommelt:

Herr Regierungschef! Sehr geehrte Herren Abgeordneten!

Es ist an und für sich in der Tagesordnung des Landtages, dass die erste Sitzung vom Alterpräsidenten geleitet und auch geschlossen wird. Wenn die Herren Abgeordneten weiter keine Einsprache erheben, möchte ich den Augenblick benützen, um Ihnen mein Einverständnis zur Wahl zu erklären. Sie alle wissen und kennen meine Absichten. Mein Gedanke ist der, dass jeder, der es tun kann, unserer kleinen Heimat dienstbar ist. Wenn Sie glauben, dass das durch meine Person geschehen könne, bin ich gerne bereit, die Sache zu üpbernehmen, Amt und Bürde zu übernehmen und ich hoffe, damit der kleinen Heimat einen Dienst erweisen zu können. Die heutigen Verhältnisse sind ausserordentliche, nicht durch die besondere Form des Zusammenkommens, sondern auch durch die internationale Lage. Diese internationale Lage betrifft uns auch, so klein wir sind und so gerne wir uns aus dem allgemeinen Betrieb herausziehen möchten. Gerade dem Kleinen ist es nicht vergönnt, dort allein zu stehen, wo ringsherum alles in Bewegung ist. Es ist selbstverständlich, dass gewisse Wellen in unser Land hereingeworfen werden können. Wir wollen hoffen, dass diese Wellen nur zum Glücke seien. Unser Glück besteht darin, dass wir sein und bleiben, was wir bisan gewesen sind, ein kleines, durch die Vorsehung gestaltetes Staatsgebilde, das trotz seiner Kleinheit bestanden hat Jahrhunderte hindurch. Unser kleines Land hat es verstanden, sich so zu erhalten, sein eigenes Geschick zu betreuen und hat heute noch den Willen, das in Zukunft so zu tun. Es gibt keinen ehrlichen Liechtensteiner und es steht ganz besonders keiner unter uns, dem nicht dieser Gedanke ganz tief im Herzen stünde. Es war vorher etwas Eigenartiges in der Kirche zu sehen, mir wenigstens ist es aufgefallen, wie im Mittelfenster des Chores das liechtensteinische Wappen mit der Krone durchlichtet war mit der Frühlings- und Morgensonne des heutigen Tages, das Gehalt wurde so, als ob der neue Landtag mit Gottes Segen in das Amt geführt wird. Es war dies für mich wie ein Omen, dieses leuchtende Wappen. Das ist das Zeichen, das ich mit brennender Sonne heineinbrennen möchte in jedes Herz von uns, hineinbrennen jedem Freund unserer lieben Heimat, damit dieser Schein wiederstrahle und wir uns allerorts in diesem Zeichen erkennen und finden und ich will auch dieses Wort sagen, dass wir uns auch in diesem Zeichen lieben und einander als Bürger des Landes nahestehen. Wir müssen uns als Bürger verpflichtet fühlen, jeder muss bereit sein, für seine Heimat alles zu tun, einer für alle, aber auch alle für einen. Ich möchte nur noch den einen Wunsch ausdrücken, dass dieses Symbol auch imstande wäre, alles zu durchstrahlen, so dass auch das Licht Klarheit und vaterländische Wärme werde.

Ich möchte die Herren weiter bitten, sich selbstlos, rückhaltlos und mit einem ehrlichen Gewissen und Verantwortungsgefühl der Arbeit und Aufgabe zu widmen. Wir haben dies nun geschworen und wir sind nicht Leute, die einen Schwur so leicht nehmen. Wo dieses Opfer vorhanden ist in einem ganz ehrlichen Worte, da kann es kein Abgehen geben. Wenn nun im Herzen die Sache ganz und echt ist, so muss auch nach aussen unser Handel und Wandel in dieser Gesinnung vor sich gehen. Diese Gesinnung muss vor allem dort sein, wo es sich handelt um Abgeordnete, die vom Volke aufgestellt sind und von denen man diese vaterländische Gesinnung erwartet. Hier muss die erste Stätte vaterländischen Denkens, Gefühles und Opfersinnes sein.

Ich brauche nicht zu wiederholen die Worte Seiner Durchlaucht, dass unsere Aufgabe nach aussenhin in der Hochachtung der eng geschlossenen Verträge besteht. Aber eines müssen wir trachten, dass wir wenigstens, wenn von aussen Quellen der Beunruhigung in unserem Lande herumgehen, wenn Erdbeben unter europäischen Boden durchgehen, von denen man nicht weiss, auf welcher Stelle sie aufbrechen, innerlich ruhig sind. Wenn wir innerlich ganz und in diesem Zeichen vereint bleiben, werden wir als kleines Volk nach aussenhin soviel Rücksicht, Schonung und Hochachtung erwarten dürfen, und erhalten, dass sich jeder in dieser kleinen Heimat, in dieser Insel, die weltfrend dasteht, freut. Die innere Gesinnung, das innere Wollen zu einer kleinen, aber grossen liechtensteinischen Heimat, das ist's, was ich Ihnen als meinen Wunsch und Glückwunsch für die Zukunft bieten möchte.

Ich habe letzthin eine Auseinandersetzung gehört. Eine gute Frau hatte einen Traum. Sie sah im Traume, obwohl ausserhalb uns sie die Welt ganz anders sah, von allen unseren Berggipfeln und auf unseren Landesgrenzen unsere blauroten Farben wehen. Die Landesfarben überwogten geradezu unser Land. Die Frau könnten sie heute erschiessen, die würde sagen, es ist ganz undenkbar und unglaublich, dass Liechtenstein nicht mehr Liechtenstein bleiben würde. Es war eine Vision aber eine innerste Überzeugung dessen, was ich so sehnlichst hoffe. Ich möchte nicht zum Deuter werden, da ich auf Träume nicht abstelle, aber das eine ist doch so schön daran, es sind manchmal diese äusseren Zeichen, die uns innerlich in der Brust einen festen Entschluss und eine heilige Gesinnung wachwecken können. Die liechtensteinischen Farben wehen über uns, schwören wir zu ihnen und trachten wir, dass sie ihre Farben nicht verblassen lassen. Lassen wir dieselben nicht erblassen in uns und solange sie im Herzen frisch sind, solange ist diese Fahne über unserem Lande. Solange wir uns deren würdig erweisen, solange sind wir wert, dass sie über uns wehen.

Ich möchte die Herren Abgeordneten noch ersuchen, sich von den Sitzen zu erheben, um für uns das Treuegelöbnis für Heimat und Fürst zu erneuern. (Alle Abgeordneten erheben sich). Ich danke dafür.

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[1] LI LA LTP 1939/041.
[2] Die Landtagswahlen fanden nach Art 30. des Gesetzes vom 18. Januar 1939 über die Einführung des Verhältniswahlrechtes, LGBl. 1939 Nr. 4, in einer sogenannten "stillen Wahl" statt, das heisst ohne Stimmabgabe an der Wahlurne. FBP und Vu reichten einen Einheitswahlvorschlag ein, dessen Kandidaten am 6. April 1939 von der Regierung zu Abgeordneten und stellvertretnden Abgeordneten erklärt wurden.   
[3] "SD": Seine Durchlaucht.