Handschriftliches Schreiben von Martin Bendheim an Regierungschef Josef Hoop [1]
22.12.1939, Vaduz
Sehr geehrter Herr Regierungschef!
Wie Ihnen bekannt, bin ich gestern von der Polizei aufgefordert worden vorbeizukommen + hierbehalten worden. [2]
Mit Rücksicht auf meine Nichtariereigenschaft würde ein Zurückstellen nach Deutschland nach der ausdrücklichen Erklärung der Geheimen Staatspolizei, Lörrach, gemäss der generellen Weisung der Geh. Staatspolizei, Berlin, die dauernde Verbringung ins Konzentrationslager + damit das sichere Verderben bedeuten.
Herr Dr. [Alois] Ritter bemüht sich um das jugoslawische Visum + das italienische Durchreisevisum und Herr Dr. [Boris] Lifschitz, Bern, ist in der Lage in angemessener Frist das portugiesische Visum für mich zu besorgen.
Finanziell falle ich hier in Vaduz wie auch späterhin niemandem zur Last.
Zu Ihrer Orientierung diene Ihnen, dass ich seit Jahren Mitglied des Schweizervereins in Mannheim bin, zu Zeiten grösster Arbeitslosigkeit in Deutschland + der Schweiz mehrere Auslandschweizer in meinen Betrieben beschäftigte und jeweils zum 1. August + Weihnachten Spenden in grösserem Betrag zugunsten bedürftiger Auslandschweizer abführte.
Ab September 1939 leistete ich Erntehilfe in Engelberg/Obwalden + gab auch dort einen Betrag von Fr. 100.- zugunsten bedürftiger Wehrmänner. Als Referenz bitte ich Herrn Dr. [Karl] Amberg, Talammann von Engelberg, über mich zu hören.
Wenn Sie es ermöglichen können, die unter solchen Umständen entwürdigende Haft durch eine zweimalige tägliche Meldung bei der Polizei während meines kurzen Aufenthalts im Fürstentum zu ersetzen, wäre ich Ihnen besonders dankbar.
Ich bitte mir den kurzen Aufenthalt zur Ordnung meiner Angelegenheiten aus menschlichen Gründen zu gewähren, da ein Zurückstellen gleichbedeutend mit Verbringung ins Konzentrationslager + dem Verlust des Lebens wäre.
Mit vorzüglicher Hochachtung
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[1] LI LA RF 194/470/002. Auf der Rückseite des Schreibens Vermerk von Hoop vom 2.1.1940: "Bendheim ist nach Feldkirch überstellt worden".
[2] Bendheim wurde zuvor aus der Schweiz ausgewiesen (LI LA RF 194/470/001).