Bericht im "Liechtensteiner Volksblatt" [1]
31.5.1939
Der Tag des Fürsten [Franz Josef II.] – ein Jubeltag des Volkes
Es konnte gar nicht anders sein, es musste so sein. Als am Montag nach tagelangem Unwetter endlich wieder einmal, wenn auch zögernd, Licht vom Himmel brach, da wollte auch das Herz des Volkes nicht mehr schweigen, es brach aus seinen Tiefen wie heller, klarer Urquell unserer Berge aus übervollem Grunde zutage steigt und sich der Stunde freut, da er frei und ungebunden seiner lange verhaltenen Kraft, dem Zuge seines Herzens folgen kann. Wer am Montag die Massen sah, die da spontan einfielen in den Treueschwur des Sprechers unseres Volkes, wer die Schwurfinger sah und die Resonanz der Tausenden und Abertausenden von Liechtensteiner Herzen im Gleichklang eines tiefsten Ernstes und männlicher Festigkeit erklingen hörte, der weiss, was Treue heisst, der weiss auch, wie das Liechtensteiner Volk seinen Fürsten liebt und in dieser Liebe zu seinem Vaterlande steht. Wir mögen in den Annalen aller Huldigungen blättern, ein solcher Rütlischwur einer etwa 9-10'000 köpfigen Menge hat Liechtenstein noch nicht erlebt. Diese Wucht eines allgemeinen Volksbekenntnisses konnte nur aus übervollem Herzen kommen.
Sehen wir zu. Noch hingen die Wolken wie Blei vom Himmel und gaben ihr längst überflüssiges Nass. Trüb und kühl stieg einer der letzten Maienmorgen herauf. Die Hoffnung sank, man hatte diesen Mai solcher Morgen zu viele erlebt, ihnen war in der Regel ein trüber Tag gefolgt. Und doch. Die Ehrengäste und Vertreter der Presse sammelten sich zur angekündigten Zeit im Gotteshause. Die kirchliche Feier mit dem anschliessenden Empfang und die für die Ehrengäste und die Männer der Presse vorgesehenen gemeinsamen Veranstaltungen sollten stattfinden, nur der Aufzug des Volkes sollte auf den nächsten schönen Tag verschoben sein. So gingen die Gedanken in der Frühe, so noch gegen Mittag, bis es endlich doch ein wenig zu lichten begann und man es wagen durfte, den vielen und immer wiederkehrenden Anfragen von allen Seiten ein bestimmtes Ja zu sagen.
Kehren wir zum Gottesdienst zurück. Seine Durchlaucht erscheint in der Loge des Kirchenchors, die Orgel unterlegt die Weisen des Vaterlandsliedes, der hochwürdigste Bischof Dr. Laurentius Mathias tritt im bischöflichen Ornate zum Pontifikalamte an die Stufen des Altars. Hat doch Seine Excellenz im Kanzelwort von dem Gedanken und von der Idee gesprochen, die in der Huldigung an den Landesherrn und in der kirchlichen Feier durch den Landesbischof diesem Tag vom liechtensteinischen Volke als einem gottgläubigen Volke zugrunde gelegt werden wollten. Nach einer Bitte um Segen für unsern geliebten Fürsten und unser Vaterland, gab der bischöfliche Redner auch seiner Freude Ausdruck, heute dem regierenden Fürsten auch den Dank aussprechen zu können für die Wohltaten, die das Bistum vom fürstlichen Hause je empfangen. Er glaube auch im Sinne des regierenden Fürsten zu handeln, wenn er heute sage, wie wir Katholiken uns zum Staate stellen und knüpfte an an das Pauluswort: Es ist keine Gewalt, ausser von Gott. Die staatliche Gewalt liege im Willen Gottes, sie sage aber auch allen Fürsten und Regierungen, dass sie Stellvertreter Gottes seien und ihm Rechenschaft abzulegen hätten über die Verwaltung. Die staatliche Form könne wechseln, Pflicht und Verantwortung der Regierenden bleiben dieselben. Liechtenstein habe das Glück, ein Fürstentum unter edlem Fürstenhause zu sein, die beide Gott der Herr noch lange erhalten möge. Aber auch die Untergebenen seien im Gewissen verpflichtet, der Staatsgewalt in allen rechten Dingen zu folgen. Wir Katholiken seien im Gewissen verpflichtet, der Obrigkeit Ehrfurcht und Gehorsam entgegenzubringen. Wenn wir die Pflichten des Staatsbürgers d. Obrigkeit gegenüber als Gewissenspflichten auffassen, werden wir aber auch gute Staatsbürger sein. Nur eine Einschränkung müsse hier an dritter Stelle gemacht werden: der Staat ist nicht allmächtig. Es gebe auch noch eine kirchliche Gewalt, die klar und deutlich von Gott angeordnet sei. Der Staat müsse sie achten, wie umgekehrt auch die kirchliche die staatliche Gewalt zu achten verpflichtet sei. Das Recht auf persönliche Freiheit aber müsse vom Staate anerkannt werden.
Aus der Beachtung dieser drei Grundsätze erwachse Glück und das wünschte unser Landesbischof dem Fürsten und dem Lande Liechtenstein von ganzem Herzen. Das schönste Geschenk für den Fürsten an diesem Tage sei wohl ein gutes katholisches und einiges Volk von Liechtenstein und Gott möge diese Gesinnung im Volke fördern und erhalten und den Fürsten und das Land segnen. [2]
Ein erstes feierliches Huldigungswort aus dem Herzen des Volkes war durch dieses Hirtenwort erflossen. Aber immer noch hing der Himmel trübe, als die Gäste zum Empfang durch Seine Durchlaucht im Landtagssaale sich zusammenfanden. Wir sahen hier nach einem kurzen Grusse des Herrn Regierungschefs Dr. [Josef] Hoop die Vertreter des Eidg. Politischen Departementes, der Regierungen der Nachbarkantone, der Generaldirektion d. Schweiz. Post- und Telegraphenverwaltung, der Oberzolldirektion, die Generalkonsuln v. Deutschland [Hermann Voigt], Frankreich [Eugène Bradier], Grossbritannien [John Elliot Bell], von Italien [Bruno Gemelli], Holland [Ludwig Ospelt] und der Vereinigten Staaten von Nordamerika [Arthur C. Frost] von den ausländischen Ehrengästen dem Fürsten die Hand zum Grusse reichen. Nach der Begrüssung des Landtages und der Mitglieder der Regierung und der übrigen Ehrengästen aus dem Lande folgte der ansehnliche Stab der Presse. Die Schweizer Presse war vom Bodensee bis hinein zum Neuenburger See vertreten.
Noch war der Entscheid nicht gefallen, was der Nachmittag bringen sollte. Und doch, die Wolken begannen sich einigermassen zu lichten, nach elf Uhr verbreitete sich die Kunde, auch das Programm des Nachmittags sollte abgewickelt werden. Man stand in den Gemeinden bis zum letzten Mann bereit, die Autobus rasten, sodass mit einer Stunde Verspätung die feierliche öffentliche Huldigung des Volkes stattfinden konnte. Inzwischen waren die Ehrengäste v. Seiner Durchlaucht in den Rittersaal ins Schloss und die Vertreter der Presse zum Mahle ins Waldhotel gebeten worden. Was verschlugs, wenn nicht alle Fahnen mehr hochgezogen werden konnten, das liechtensteinische Volk wollte huldigen, es wollte mit seinem Fürsten den Tag Seiner Durchlaucht und seinen Tag feiern. Vaduz hatte sich ohnehin für diesen Tag reichlich ins Feiertagsgewand gelegt, jede Gemeinde hatte im Schmucke schon mitgehuldigt, nicht Sturm und Unwetter des Vortages und nicht Vorsicht für etwa wieder eintretendes Unwetter vermochte dem schönsten Schmucke des Tages Einhalt zu tun, dem Jubel der Liechtensteiner Herzen.
Beim Mittagsmahle der Ehrengäste im Schlosse sprach Regierungschef Dr. Hoop und bei der Presse Regierungschefstellvertreter Dr. [Alois] Vogt. Herr Dr. Vogt wies in seiner Begrüssung darauf hin, in welcher Weise die Presse der Schweiz dem Lande schon wertvolle Dienste geleistet, wie wir doch verstanden werden und die Presse möge auch heute wieder Gelegenheit nehmen, sich zu vergewissern, wie Liechtenstein - das Mauerblümchen der Staaten Europas nannte es der Regierungsvertreter - in seiner Eigenart ein wahres Fest des Volkes begehe. Die Worte des Regierungsvertreters fanden feierlichen Nachklang in den Ansprachen des Präsidenten des ostschweizerischen Presseverbandes, Oskar Alder, von Heiden, des Direktors der Schweizer. Depeschenagentur [Rudolf Lüdi] und des Mons. Dr. [Paul-François] Bourquin vom "L' Impartial" in La Chaux-de-Fonds. Letzterer fand in seiner feinen französischen Art besonders schöne Worte für unser kleines Vaterland. Alle Redner von der Presse schlossen mit dem Wunsche auf das Wohlergehen von Fürst und Land und auf die Erhaltung und Vertiefung der freundnachbarlichen Beziehungen zwischen den beiden Ländern.
Inzwischen war im Hauptorte bereits reger Betrieb, die Schulen und Vereine, Volk in Massen strömte herbei, der Festzug begann sich langsam zu formen. Bald bot sich ein farbenprächtiges Bild tausendfachen Lebens, das da sich in feierlichem Zuge bei der Tribüne beim Rathause vorüberbewegte und unserem Fürsten den ersten Gruss seines Volkes entbot. Voran die Herolde und ein Stück Geschichte mit den Fahnen von Montfort, Brandis, Sulz, Hohenems und Schellenberg, dann die Landesfahne, flankiert von den Fürstenfarben, Musikvereine, Pfadfinder und Pfadfinderinnen. Dann folgten die Schulen, die in ihren Gruppen die Farben der geschichtlichen Banner, die Farben des Fürstenhauses und des Landes wiederholten, es reihten sich an die höheren Schulen, die Trachtengruppen von Vaduz und Schaan, die Behörden und Gerichte, die Geistlichkeit des Landes und die Gemeindevertretungen. Alle Vereine und ständischen Organisationen waren vertreten, der Liechtensteiner Verein im Vorarlberg war zur Feier erschienen und der Kameradschaftsbund beschloss als letzte organisierte Truppe mit dem Volke den nicht endenwollenden Zug. [3]
Seine Durchlaucht mit den Mitgliedern des fürstlichen Hauses traf unter den begeisterten Hochrufen der riesigen Menschmenge auf dem Platze ein. Die eigentliche Huldigungsfeier begann. Der Fanfarenruf der Pfadfinder und ein Vortrag des Verbandes liechtensteinischer Musikvereine leitet die Huldigungsansprache des H. H. [Hochwürdiger Herr] Landtagspräsidenten Anton Frommelt ein. Jedes Wort gab hierin dem tiefen Fühlen des liechtensteinischen Volkes Ausdruck. Die Ansprache steigerte sich nach dem feierlich geleisteten Treue-Eid unseres Durchlauchtigsten Fürsten, im Schwure des Volkes unter Erheben der Schwurfinger einer gegen die Zehntausend zählenden Volksmenge zum feierlichen Eid der Treue, wie ihn fürwahr die liechtensteinische Geschichte nicht kennt. Zeuge dieses spontanen, machtvollen und aus überströmenden Herzen kommenden Bekenntnisses gewesen zu sein, bedeutet Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Sie bedeutet, Liechtenstein ganz erlebt zu haben.
Der Proklamation unseres geliebten Fürsten werden wir an anderer Stelle einen Ehrenplatz gewähren und die Ansprache des Landtagspräsidenten in kommender Nummer zur Kenntnis unserer Leser bringen. [4] Jeder Liechtensteiner, auch der, den Krankheit, Alter oder dringendste Besorgung zu Hause festhielt, er soll diese machtvolle Kundgebung in sich aufnehmen können. Wie so manche Liechtensteiner, eben so viele Ausländer erklärten uns, eine solche Kundgebung, entsprungenen aus tiefinnerem Erleben, so ganz ungemacht hervorgequollen, wie tausend Bronnen aus einer erwachenden Gottesnatur, nie erlebt zu haben. Wir sind unseren verehrten Ehrengästen und den werten Herren Kollegen der Presse auch zu grossem Dank verpflichtet, wenn sie die hier gewonnenen Eindrücke weitergeben. Noch eine Freude dürfen wir hier einflechten, nämlich die, dass die Liechtensteiner aus weiten Gauen unserer Nachbarländer herbeigeeilt sind, um mit uns diesen Tag zu feiern.
Nun betrat Landtagsvizepräsident Dr. Otto Schädler das Podium zu seiner Huldigungsansprache. Herr Dr. Schädler griff in die Geschichte zurück, schritt zur Gegenwart und betonte den Geist, der heute das Liechtensteiner Volk beseelt. Wir hoffen, in einer kommenden Nummer auch diese Ansprache wenigstens auszugsweise wiedergeben zu können. [5]
Es folgte die feierliche Proklamation des Landesfürsten, die das Volk entblösten Hauptes und stehend anhörte. Ein feierlicher Augenblick, der der Grösse des Geschehens entsprach und so recht die Ehrerbietung des liechtensteinischen Volkes seinem Fürsten gegenüber zum Ausdruck brachte.
Noch ein Vortrag des Liechtensteiner Sängerbundes, ein Sprechchor der Schulkinder auf unseren allverehrten Fürsten, und bald rauschten auch schon die Weisen des Vaterlandsliedes zum jungen Buchenwald empor. Sie sind begeistert erklungen. Und wenn es hiess: Hoch leb der Fürst vom Land, hoch unser Vaterland!, so klangen immer wieder die Worte des heiligen Schwures aus der Huldigungsrede des Volksvertreters mächtig nach und wieder sah man die Hände der Menge sich zum Schwure heben.
Inzwischen aber war es fünf Uhr geworden. Die Zeit des feierlichen Aktes auf dem Schlosse hatte sich trotz der guten Organisation in die Länge gezogen. Der Zug formte sich unter ständigem Grüssen an Seine Durchlaucht und die Mitglieder des fürstlichen Hauses, die auf der Tribüne an der Seite unseres Fürsten Platz genommen hatten, zum Abmarsche. Ein Tag liechtensteinischen Geschehens war vorüber. Gross und leuchtend wird er in der Geschichte unseres Landes eingetragen sein. Lange aber wird er auch nachklingen in den Herzen der Liechtensteiner, die ihn miterleben durften und die da freudig und aus tiefstem Herzen miteinstimmten in den Ruf:
Gott schütze und erhalte uns recht lange unsern Fürsten!