Kreisschreiben Nr. 240 des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements, gez. Johannes Baumann, an die Polizeidirektionen der Kantone [1]
26.9.1939
Ausländische Deserteure
Herr Regierungsrat,
Ausländische Deserteure müssen dem zuständigen Territorialkommando zugeführt werden. Sie werden aber in der Regel nicht von der Armee interniert, sondern sehr bald wieder den Zivilbehörden zur Verfügung gestellt. Weil diese meist im Unklaren sind, was sie mit ihnen anzufangen haben, ersuchen wir Sie, bis zum bevorstehenden Erlass einlässlicher Bestimmungen folgende vorläufige Richtlinien zu befolgen:
Die Deserteure werden freigelassen, wenn nicht eine fremdenpolizeiliche Verfügung entgegensteht, z. B. eine frühere Ausweisung, oder wenn nicht das Territorialkommando anders verfügt. Sie sollen zu nützlicher Arbeit verhalten werden, wobei aber streng darauf zu achten ist, dass nicht arbeitslose Schweizer oder gar Mobilisierte benachteiligt werden. Im Gegenteil soll ihre Hilfe wenn möglich kleinern landwirtschaftlichen Betrieben zukommen, die infolge der Abwesenheit der Männer in Verlegenheit sind. Die kantonale Fremdenpolizei besorgt ihre Plazierung im Einvernehmen mit dem Arbeitsamt. Die zugewiesene Arbeitsstelle darf nur mit Erlaubnis der kantonalen Fremdenpolizei verlassen oder gewechselt werden. - Wo Zuweisung in Arbeitsstellen nicht angeht, können Bemittelte auf eigene Kosten leben. Sie sollen in kleinere Ortschaften eingewiesen werden, die sie nicht ohne Erlaubnis verlassen dürfen. Es bleibt den Kantonen überlassen, unbemittelte Deserteure, die in keine Arbeitsstelle verbracht werden können, sonst zweckmässig unterzubringen.
Alle Deserteure sind zu verpflichten, sich mindestens alle acht Tage bei der Ortspolizei zu melden.
Die kantonale Fremdenpolizei soll im Einvernehmen mit dem Territorialkommando vorgehen und diesem die Unterbringung und Veränderungen melden; ebenso Verfehlungen, Widersetzlichkeit oder Arbeitsscheu. Die Deserteure bleiben der Disziplinargewalt des Territorialkommandos unterstellt.
Genehmigen Sie, Herr Regierungsrat, die Versicherung unserer ausgezeichneten Hochachtung.
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[1] LI LA RF 193/098/003. Das Schreiben wurde nach der Kenntnisnahme durch das F.L. Sicherheitskorps am 6. Oktober 1939 an die fürstliche Regierung rückgeleitet.