Maurice Arnold de Forest kritisiert die fremdenpolizeiliche Vereinbarung mit der Schweiz wegen der Diskriminierung der neu eingebürgertern Liechtensteiner


Schreiben von Maurice Arnold de Forest, Graf von Bendern, aus Zürich an Regierungschef Josef Hoop[1]

27.1.1941

Hochverehrter Herr Regierungs-Chef,

Mit tiefer Enttäuschung habe ich den unterzeichneten Vertrag Liechtensteins mit der Schweiz [2] in der Zeitung zur Kenntnis genommen.

Justizrat Dr. [Ludwig] Marxer soll bereits einen von ihm aufgesetzten Protest bei der Regierung für mich einreichen.

In der Ungewissheit des Inhalts des von Dr. Marxer eingenommenen Rechtsstandpunkts will ich aber schon hiermit folgendes unabhängig ausführen:

Die Schweiz soll also endlich eingewilligt haben, dass Staatsbürger der ihr benachbarten und ihr wirtschaftlich und politisch eng verbundenen Liechtensteins in der Schweiz das Aufenthaltsrecht prinzipiell geniessen dürfen.

Von diesem Recht hat aber die Schweiz die eingebürgerten Liechtensteiner ausdrücklich in ihrer Gesamtheit ausgeschlossen.

Durch diesen Ausnahme werden von der Schweiz diese Eingebürgerten nicht als echte Liechtensteiner sondern als Nicht–Liechtensteiner und gewöhnliche Ausländer betrachtet und behandelt und folglich werden die Liechtensteinischen Einbürgerungen in ihrer Gesamtheit von der Schweiz offenkundig missbilligt.

Durch die Unterzeichnung dieses Vertrages gibt also die Liechtensteinische Regierung der Welt gegenüber selbst bekannt, dass sie ihre eigenen Eingebürgerten entwürdigt und ihre eigenen Einbürgerungen weithin verleugnet und stimmt überdies einem Tadel eines anderen Staats an ihren internen Angelegenheiten und ihrer Staatsführung zu.

Es steht fest dass bisher noch kein Staat eine solche Herabsetzung seiner eigenen Einbürgerungen durch einen fremden Staat angenommen und vertragsmässig gebilligt hat.

Die Auffassung der Schweiz gegenüber Liechtensteinischen Angelegenheiten gilt in der ganzen Welt für massgeblich und für die Stellung und das Eigentum der Eingebürgerten überall im Ausland sind die Auswirkungen dieses Aktes der Liechtensteinischen Regierung unübersehbar. Die Beurteilung der hierdurch entstandenen schweren Gefährdung ihrer Stellung und Interessen im Ausland sollte jetzt den Betroffenen selber überlassen werden, denn bei den Verhandlungen bezüglich des Vertrages sind sie ersichtlich nicht in Erwägung gezogen worden.

Die Eingebürgerten sind es denen in der Meistzahl der Fälle das Liechtensteinische Vermögen im Ausland gehört. Diejenigen sind es also auch, die sowieso schon nur mit Mühe und Kampf ihren oft ironisierten Liechtensteinischen Status bei ausländischen Regierungen aufrecht erhalten müssen. Gerade diese Liechtensteiner also sind es, die für die Bewahrung ihrer ausländischen Rechte und ihres ausländischen Eigentums den Schutz ihrer Regierung gebrauchen und von derselben nicht eine Herabwürdigung sondern eine Erhöhung ihres Nationalstatus dringend benötigen.

Entgegen diesem Vertrage werden sich wohl die Eingebürgerten ihren Rechts – oder Völkerrechtlichen Standpunkt vorbehalten.

Es scheint nur folgende Alternativen zu geben um den Schaden zu beheben die ich mir erlaube hiermit anzuführen:

1) Den in Frage kommenden Vertrag mit der Schweiz zu stornieren und die Angelegenheit fallen zu lassen, oder

2) Dass die Schweiz veranlasst wird, den Stichtag der Nichtanerkennung der Einbürgerung nicht auf das bereits Geschehene sondern auf das noch nicht Geschehene, d.h. auf zukünftige Einbürgerungen, die nach dem Vertrag getätigt werden und wo die Eingebürgerten dann mit voller Kenntnis der Sachlage sich einbürgern lassen, zu verlegen und das Gesetzbuch demgemäss abzuändern,

3) Eine Liste derjenigen eingebürgerten Liechtensteiner aufzustellen, die des Aufenthaltsrechts in der Schweiz als unwürdig zu betrachten sind. Diese dann ausbürgern nicht nur als Gefälligkeit für die Schweiz sondern in dem Interesse Liechtensteins. Dann aber auf das gleiche Recht in der Schweiz für alle Angehörigen Liechtensteins zu bestehen, oder aber

4) Die Sonderbehandlung in der Schweiz nur auf Kleinlohnerhalter anzuwenden und unverzüglich für jeden anderes gearteten Fall die in der Schweiz verlangte Prüfung zu bewilligen mit dem besonderen Vermerk: gleichgültig ob eingebürgert oder nicht eingebürgert.

Eine von diesen Alternativen scheint unumgänglich wenn nicht der Liechtensteinische Staat seine eigene Staats–Praxis in Diskredit zu bringen gewillt ist und nicht das Unrecht begehen will den höchsten Gefahren diejenigen seiner Mitbürger auszusetzen denen gegenüber er für Entgelt Verpflichtungen übernommen hat, die er jetzt nicht verleugnen darf.

Die Leistung einer beträchtlichen Anzahl der Eingebürgerten ist jeher für die Aufrechterhaltung der Unabhängigkeit und das Bestehen Liechtensteins in Rechnung gestellt worden. In der gegenwärtigen Angelegenheit sollte das jetzt nicht vergessen werden.

Mit besonderer vorzüglichster Hochachtung

Ihr ergebener

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[1] LI LA RF 199/416/3/008.
[2] Siehe Vereinbarung zwischen Liechtenstein und der Schweiz vom 23. Jänner 1941 über die Regelung der fremdenpolizeilichen Beziehungen, LGBl. 1941 Nr. 4. Nach dessen Art. 2 erhalten liechtensteinische Bürger auf ihr Gesuch eine Aufenthaltsbewilligung in der Schweiz. Dieser Anspruch steht jedoch nach Art. 3 der Vereinbarung nur den Liechtensteinern zu, die nicht nach dem 1. Jänner 1924 eingebürgert worden sind und die während der letzten 5 Jahre vor dem Bewilligungsgesuch ohne wesentlichen Unterbruch in Liechtenstein oder in der Schweiz gewohnt haben.