Karolina Lampert [-Schädler] an ihre Schwester Juliana Sele [-Schädler] über ihre Einsamkeit und ihre Sehnsucht nach den Verwandten in Triesenberg, die Zusendung von Büchern aus Liechtenstein, die Ankunft von Johann Eberle mit Familie in Freeport (Illinois), die Auswanderungspläne der Schwester Theresia Eberle [-Schädler] sowie den mangelnden Verdienst für die Männer in Triesenberg während des Winters


Handschriftliches Originalschreiben der Karolina Lampert [-Schädler], Freeport (Illinois), an ihre Schwester Juliana Sele [-Schädler] und die übrigen Geschwister in Triesenberg [1]

26.06.1881, Freeport (Illinois)

Liebe, theure Geschwisterte!

Ich habe Dier in meinem lezten
Briefe, welcher ich am 9 Aprill
an Dich geschickt habe versprochen
zu schreiben sobald der Eberli [Johann Eberle] hier
ankommen würde, u. jezt habe ich
mein Versprechen nicht gehalten.
Liebe Schwester verzeihe mir u.
denke nicht dass [2] ich eins von euch
allen vergessen habe, wier denken
noch viel mehr an euch seitdem
ich von Euch immer sprechen höre, den
wier sprechen immer von euch wen
wier beisamen sind, denke aber liebe
gute Schwester ich habe gewiss keine [3]
Zeit gehabt, den ich habe so viel Arbeit
dass ich an Werktagen, gar keine Zeit
finde zum schreiben, u. an Sonntagen,
nebst der Kirchenzeit habe ich immer
noch zu fragen, den wier sind noch lange
nicht zu Ende mit erzählen. Vor allem
liebe Schwester bedanke ich mich für
die schönen Bücher, u. es war recht
rührend für mich, dass Du meine
stillen Wünsche errathen hast, den
ich sagte gleich zu meinen Kindern [Julius Lampert, Theresia Lampert]
als ich wusste, dass der Eberle
kommen sollte, wen Du mir nur ein
schönes Gebetbuch schicken würdest.
Als der Johan Eberli mit seiner
Famili ankam hatten wier das 40 [4]
stündige Gebet, wier gingen am
Abend in die Kirche, und ich schlug [5]
dass Buch auf mit der Überschrift [6]
gute Gedanken für Verlassene,
welches mir sehr zu Herzen ging, dass
ich von meinen lieben Geschwisterten
ganz allein in so weiter Ferne bin
ganz verlassen u. allein, ich konte mich vor
Thränen nicht mehr halten. Liebe Schwester
ich bin mit meinen Kindern gesund u.
wohl, der Frommelt [Franz Josef Frommelt] u. der Johan Eberle
ist mit seiner Famili glücklich u. gesund
hier angekommen, u. haben auch gleich
Arbeit erhalten jezt hat aber der Johan
eine wehe Hand, dass er schon 2 Wochen
nicht mehr Arbeiten konte, der Josepha
habe ich für einen Platz gesorgt in einem
Deutschen Gasthaus, wo sie alle die
Arbeit lernen kann wie man es hier
macht, der Katharina habe ich das
Karbetweben gelernt u. wier wohnen [7]
ganz nahe beieinander, dass wier wen
es die Zeit erlaubt täglich zusamen
kommen. Liebe Schwester der Johan
Eberle sagt mir, dass meine liebe
Schwester Theres [Theresia Eberle [-Schädler]] u. Bruder [Johann Baptist Schädler] u. mit
ihrer Famili im Sinne haben zu komen
welches mich recht freuen würde, u. ich
bin gewiss, dass sie es nie bereuen würden,
den ich habe wieder genug gehört, was man
dort alles entbehren muss, was man
hier in Fülle hat, und die armen Männer
brauchen nicht jedes Frühjahr ihr
Bündleli zu Packen u. ihre Famili
zu verlassen auf den ganzen
Sommer. Sterben braucht man hier
auch nicht eher als dort, wie muss
ich mich noch alle Tage wundern
wie viele junge Leute bei euch
gestorben sind. [8]

Liebe Schwester, u. alle Geschwisterte
u. Verwandte, ich hoffe nicht, dass eins
von Euch allen, es ihnen abrathen wird,
u. denket nicht, dass ich sie hieher loken
wollte um sie unglücklich zu machen
nein dazu währen sie mir zu lieb,
oder wollt ihr sie lieber dort sehen
langsam zu Grunde gehen, als hier
bei einem guten fortkommen sich erfreuen?
Liebe Schwester, Schwager u. Bruder
horchet nicht auf die algemeine Sage
dort, denn die Leute verstehen es nicht
besser, u. haben noch keine Erfahrung
gemacht um Urtheilen zu können
der J. Eberle wird euch selbst schrei-
ben villeicht werdet ihr ihm mehr
glauben schenken als mir. Wen ihr
im Sinn habet zu kommen schreibet
mir gleich, dan will ich Euch über [9]
alles schreiben was ihr mitbringen
sollet, für die Theres wäre es besser
wen sie diesen Herbst schon komen
würden, den mit Säuglingen ist am
besten zu reisen. Die Einwanderung
ist nicht so stark im Herbst wie im
[10] Frühjahr u. ich denke man
kan auch billiger Reisen [11] man
kan hier im Winter immer so viel verdienen
als man braucht, u. draussen müsst
ihr im Winter doch wieder alles
verzehren was der Man im Sommer
verdient u. haben noch nichts gutes.
Liebe Geschwisterte wier freuen uns
alle und geben uns der Hoffnung hien
dass wier, wenigstens welche von
euch noch hier sehen werden.
Der Johan Eberle war mit seiner
Famili 10 Tage bei mir im Hause [12]
wier hatten es recht unterhaltend, es ist
recht ein Freundschaftlicher Mensch.
Ich hatte meine Häuser dieses Frühjahr
schon vermiethet gehabt, aber ich habe
doch noch für eine Zeit lang Platz
gemacht. Der Jos. Fromelt war
eine Woche hier im Hause mit seiner Frau
diese ist so lustig u. froh wie ein
König, dass sie hier ist. Liebe Schw.
J. meine Kinder freuten sich recht
über die schönen Bücher und bedanken
sich herzlich sie wünschen, dass sie Dir
u. dem Kresenzia [Kreszenz Sele] auch was schiken
könnten. Liebe Schwester sage meinem
armen Bruder, dass er mir schrei-
ben solle was er im Sinne hat, den
ich kan die Zeit nicht erwarten
bis ich genaue Auskunft habe. [13]

Liebe Schwester schreibe mir recht bald
u. viel grüsse mier der Herr Pfarrer [Johann Baptist Büchel d. Ä.]
u. seine Schwester der Lehrer Gassner
u. seine Famili u. Ferdinand, sage
dem Lehrer ich möchte doch eine Photo-
grafie haben, den ich habe gehört dass
er so dick und fett sei. Viele tausend
grüsse an alle meine Vetter und Basen,
Verwandte u. Bekante, besonders
aber an euch liebe Geschwisterte
u. Kresenzia, auch von meinen
Kindern viele grüsse an euch alle
u. ich Verbleibe Deine
Dich nie vergessende Schwester

Karolina Lampert

Viele grüsse von der Kathrina
an Vetter, Base, Kresenz u. Julia
u. wier sitzen heute Abend ganz
[14] fröhlich beisamen wo ich dieses
Brief schliesse

Viele grüsse von J. Eberle an Euch alle [15]

______________

[1] LI LA PA 188/021. Brief in Kurrentschrift.
[2] Ursprüngliche Fassung: „daẞ“. Das Eszett wird im Folgenden zu „ss“ umgewandelt.
[3] Seitenwechsel.
[4] Durchstreichung.
[5] Seitenwechsel.
[6] Durchstreichung.
[7] Seitenwechsel.
[8] Seitenwechsel.
[9] Seitenwechsel.
[10] Durchstreichung.
[11] Durchstreichung.
[12] Seitenwechsel.
[13] Seitenwechsel.
[14] Durchstreichung.
[15] Am linken Seitenrand der letzte Briefseite hinzugefügt.