Ferdinand Marock an seinen Bruder Wilhelm Marock über den Streit um das väterliche Erbe


Handschriftliches Originalschreiben des Ferdinand Marock, Mauren, an seinen Bruder Wilhelm Marock in Indiana [1]

30.12.1882, Mauren

Lieber Bruder!

Wenn ich Dich heute mit einem Brief überrasche
so liegt der einzige Grund darin, dass [2] mich das patriotische [3]
Gefühl dazu anregt; u. der Billigkeit ein wenig
Rechnung zu tragen.

Es betrift nählich die väterliche Erbsvertheilung.
Du wirdst wahrscheinlich im Monat Okt. od. Nov. einen
Brief von der Mutter [Genofeva Marock [-Meier]] erhalten haben, welcher von
Andreas [Marock] dicdirt wurde u. welcher sich wahrscheinlich
dahin sich begipfelte das Du auf den väterlichen
Erbtheil [Jakob Marock] verzichten mögest, wenn es auch nicht
gerade glat Deutsch geschriben stand, so wird mans
wahrscheinlich zwischen den Zeilen heraus finden.

Ich will Dir einige Notizen anführen. Muss
aber vorher bemerken in der bilischen geschicht steht
irgendwo geschriben: „Ich u. der Vater sind Eins, wer
mich sicht; der sicht der Vater“ u. s. w. diese Stelle liss
sich auch gut bei unser Mutter u. Andreas anführen.

Gestern war der Ortsvorstand [Jakob Kaiser] hier u. wollte, alles Inven-
arisch auf nehmen, wobei er bemerkte das für
Wilhelm einen Vertreter gestelt werden müsse.
Auf dises hin bemerkte Andreas er habe in seinem
Haus ein Schreiben von Wilhelm; wobei er er-
klärt habe; man solle wegen ihm alles vertheilen
wie man wolle; u. seinen Erbtheil schenke er
seiner Mutter vorläufig lebenslänglich. Später
rükten Sie mit der Sprache noch besser heraus, da
Sie behaupten; im strengen Sinne würde Dir
gar nichts gehören. Du habest die Haushaltung auch
nichts genutzt; weiter kamen Sie auf den
Gedanken den Boden tief unter dem Schatzungs-
werte zu schätzen, da ganz begreiflich ist [4]
das Du keinen Boden über den Ozean nehmen
kanst, sonder blos Geld des werth welches dann die
Amerikaner nicht stark überraschen wird wegen
der grossen plumpen Geld welche einst dort
anlangen werde, da sie schon 300 fl. [Gulden] als er-
halten für Dich in die Inventur stellen lissen
nählich für Reisegeld u. spätere 100 fl.
Ich von meinem Standpunkte aus finde es für ein un-
gerechtes verfahren, u. würde an Deiner Stelle einen
thüchtigen Stellvertreter verlangen welcher genau
inventieren würde u. dan sämtlichen Betrag
was mit fug u. Recht zu gesprochen würde an mich
zichen. Schliesslich will ich Dir noch bemerken welche
Bestiftung die Mutter mit Zuzug dess Andreas bei
dem kränkelten Vater Testamentarisch [5]
gleichsam zu erbeteln wussten als:

I.  Alle Fahrnisse überhaupt als: Pferd, Kühe, Schweine
Waizen, Heu, Streu, Türken, Kartoffel etz. mindestenz
im Werth von 800 fl.
(welches aber schon mehr als die Hälfte ihn die Haushaltung
des Andreas verschenkt wurde.)
II. 2 Grundstük zum vorhinaus im Werth von 600 fl.
dieses auf ewig; (nicht lebenslänglich)
III. Muss ich jährlich 25 fl. Zins an die Mutter entrichten
vom Hauskauf herrührend.

Nun muss ich aber machen dass ich endlich zum Schluss
komme wobei ich Dich aber ersuche mich nicht zu
verathen u. mich der Feindschaft aussetzen.

Meinetwegen verfahre Du mit Deinem Erbtheil
wie Du willst. Ich habe Dier nur die gründliche
Wahrheit mitgetheilt u. zwar aus reiner Bruderliebe.
Wenn ich Dir eine Freude machen kann so werde ich
Dir vom 1 März 1882 [6] das Lichtst. Volksblatt zusenden
jedoch erwarte ich anvor eine Antwort, damit ich weiss
ob ich die richtige Adresse hab. Schlisslich ein recht herzlichen
Glückwunsch zum neuen Jahr von mir u. meiner Frau
an Dich, Frau u. Kinder dass Euch der liebe Gott ein
glüseliges neu Jahr erleben lassen wolle.

Ferdinand Marok.

______________

[1] US PA Delph Donna. Brief in Kurrentschrift. Datierung unsicher. Randbemerkungen mit Bleistift.
[2] Ursprüngliche Fassung: „daẞ. Das Eszett wird im Folgenden zu „ss“ umgewandelt.
[3] In lateinischer Schrift. Im Folgenden kursiv gesetzt.
[4] Seitenwechsel.
[5] Durchstreichung.
[6] Tatsächlich war am 1.3.1882 keine Ausgabe des Liechtensteiner Volksblattes erschienen.