Handschriftliches Originalschreiben der Theresia Sele, Triesenberg, an ihre Patin
Herzlich Geliebte Pathin!
Stunden und Tage fließen dahin,
und schon wieder quillt ein Jahr dahin
in das unermäßliche Meer der Ewigkeit.
Daher bietet mir dieser Jahreswechsel die
erwünschte Gelegenheit dar, meiner theuren
Pathin alles Liebe und Gute zum
neuen Jahr zu wünschen.
Es sind nun wieder vergessen die
Trübsalen wie die Freuden des nun
zu Ende gegangenen Jahres, allein
die mir von dir erwiesenen Wohlthaten
sind noch lange nicht meinem Gedächtniße
entschwunden, sondern immer mehr
erkenne ich dieselben. Gott der gütige
Vater im Himmel wolle dich noch eine
lange Reihe von Jahren in bester Gesundheit
und Zufriedenheit erhalten, er wolle jeden
Tag gnädichst abwenden, was solchen ver-
bittern könnt, wo nicht, so verleihe er
dir Geduld in vollstem Masse. Wolle
der liebe Gott meine zwar schwache,
aber doch von Herzn wohlmeinenden
Wünsche für diese angehende Jahr gnädig
erfüllen, du aber selbe gütigst annehmen.
Auch in diesem Jahre werde ich täglich
wie bisher mein kindliches Gebet zum
Allmächtigen empor senden, das
er meiner theuren Pathin alles geben
wolle, was Sie betürfet, an Leib und
Seele, für Zeit und Ewigkeit. Mit diesen
schwachen Wünschen verbinde ich meinen
herzlichsten Dank für alles erwiesene
Gute an Leib und Seele, Gott, der
Belohner Alles Guten lohne es dir schon
hier, mehr aber noch im Jenseits, in der
wahren Heimath in der seligen Ewigkeit.
Um fernere Liebe bittet in kindlicher
Liebe und Hochachtung.
Euer
dankbares Pathenkind
Theresia Sele
Triesenberg den 31.Dezember 1901
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