Martina Gstöhl an ihre Schwester Balbina Gstöhl über den Wunsch nach einem Lebenszeichen aus Amerika, die Bitte um die Rückkehr nach Europa, Neuigkeiten aus Eschen, die Arbeitsstellen ihrer Schwager in Deutschland und in der Schweiz, die Elektrifizierung der Eisenbahn, den wirtschaftlichen Anschluss Liechtensteins an die Schweiz sowie die Währungsreform in Österreich


Handschriftliches Originalschreiben der Martina Hartmann [-Gstöhl], Ludesch (Vorarlberg), an ihre Schwester Balbina (Marie Balbina Öhri [-Gstöhl]), Spencer (Nebraska) [1]

13.12.1925, Ludesch (Vorarlberg)

Liebe Schwester!
Werthe Familie!

Viele thausend Grüsse an Alle. [2]
Wie vielmal muss [3] noch schreiben,
bis ich eine Antwort von Dir erhalte.
Bitte, bitte schreibe doch einmal, es
muss ja nicht viel sein, nur ein Zeichen
dass Ihr alle noch am Leben u. gesund
seit. Ich weiss nicht wie viel Briefe ich
geschrieben einmal habe ich durch das
Postamt an das letzte Postamt in
Amerika schreiben od. anfragen lassen,
weiss aber nicht ist etwas geschehen od.
nicht. Es kam kein Schreiben. Wie
geht es Euch, seit ihr Alle gesund u. wohl [4]
Wen Ihr nur hier wäret. Jetzt geht
es im Lichtenstein ganz gut. Käther [Katharina]
war im Herbst draussen, sie hat zwar
keine Neuigkeiten gebracht, weil sie
nirgens war, als bei de Gotha. Martina
hat schon längst geheiratet, sie hat
3 Kinder, Ema habe Dir schon längst
geschrieben, dass sie gestorben ist.
Könnet ihr nicht verkaufen dort u.
hier kommen nach Lichtenstein od.
Österreich od. Deutschland. Von meinem
Mann [Johann Josef Hartmann] ein Bruder ist in Deutschland,
Friedrichshafen, einer in der Schweiz
Börglen Kt. Thurgau [5], der in der
Schweiz ist Maurermeister, der
in Deutschland ist bei der Bahn. [6]
Hier giebt es jetzt elektrische
Eisenbahn, es ist noch nicht überall
fertig aber bald. Hier od in Deutschland
könnte man auch grössere Höfe bachten
od. kaufen. Lichtenstein gehört jetzt
theilweise od. Wirtschaftlich zur
Schweiz, haben daher Schweizergeld.
Wen ihr hier wäret, ihr könt
es hier betreiben wie dort, jetzt
hat man hier auch Maschienen.
Komt einmal heraus schauen wie
es ist, es wird Euern Söhnen [Edward, Frank, Joseph] u. der
Tochter [Beatrice] gewiess hier auch gefallen.
Ich will nicht sagen grad in Ludesch
aber Deutschland, Schweiz Liechtenstein od. so [7]
Wir haben jetzt auch wieder schönes
Geld, klingende Münze, Kupfer zu 100
u. 200 Kronen, dan 1000 Kronen in Silber
u. Mettal gemischt, dann 5000 Kronen u.
20‘000 Kronen, das grössere Geld noch in
Papier. O schreibe doch einmal, seid
ihr alle gesund u. wie gehts bei Euch.
O wenn ihr nur hier kämmet, dass man
naher beisamen wäre, es geht hier gewiess
auch wie in Amerika. Bitte, bitte
schreibe doch einmal wir haben schon
Jahre lang kein Schreiben mehr von Euch.
Wenn ich dann einmal weiss, dass ihr unser
Schreiben erhaltet werde ich dann mehr schreiben.
In der Erwartung von Euch bald etwas
zu hören, wünschen wir euch Allen viel
Glük zum neuen Jahr, dass der lb. Gott euch
gesund hieher führt, nebst tausend Grüssen von uns
besonders von Deiner Schwester.

Sende Dir von
der Tochter das Bild sobald ich einmal
weiss ob ihr mein Schreiben
erhaltet. Wir haben
gewiss schon 10 Brief
gesendet
ohne Antwort. [8]

______________

[1] LI LA PA 016/3/11/15. Brief in Kurrentschrift.  
[2] In lateinischer Schrift.
[3] Ursprüngliche Fassung: „muẞ“. Das Eszett wird im Folgenden zu „ss“ umgewandelt.
[4] Seitenwechsel.
[5] In lateinischer Schrift.
[6] Seitenwechsel.
[7] Seitenwechsel.
[8] Absatz nachträglich auf der 1. Seite des Briefes hinzugefügt.