Martina Gstöhl an die Familie Balbina Gstöhl über die Streitigkeiten um das Testament der kürzlich in Eschen verstorbenen Tante Magdalena


Handschriftliches Originalschreiben der Martina Hartmann [-Gstöhl], Ludesch (Vorarlberg) an ihren Schwager Ulrich Öhri und ihre Schwester Balbina (Marie Balbina Öhri [-Gstöhl]), Spencer (Nebraska) [1]

23.03.1909, Ludesch (Vorarlberg)

Werthe in Amerika!
Werther Schwager [Ulrich Öhri], Schwester
und Kinder!
[2]

Es ist schon eine lange Zeit
schon bereits Jahre verflossen,
seitdem ich etwas von Euch
gehört, oder von Euch selber ein
Schreiben erhalten. Nun will
ich einmal die Feder ergreifen,
u. Euch schrieben, den ich habe
in Eschen von dem lb. Herr Ritter
die Adresse [3] bekommen. Nun
von mir selber habe ich dies-
mal keinen Platz viel zu
schreiben, nur dass ich auch [4]
schon bald 3 Jahr verheiratet bin,
u. eine 2 Jahre alte Tochter habe.
Mehreres will ich dan ein ander-
mal berichten. Dies mal hab ich
Wichtigeres u. Intressanteres
zu schreiben. Ich habe nämlich
den Brief vom Ignaz selbst
gelesen, dass der Ritter Dir / Euch,
geschrieben, ich habe die Base [Magdalena Gstöhl]
während der ganzen Krankheit
nie besucht u. sie sei ein ganzes
Jahr krank gewesen, welches
nie wahr ist. Mein Mann [Johann Josef Hartmann]
war im Vorsommer bei ihr
draussen, da sagte selbe wohl
von Unwohlsein, aber, das kam
bei unser Bas ja vielmal vor.
Bas sagte, wen es solte minder  
werden, so werde sie mir [5]
schreiben, kam aber nie kein
Brief u. wenn man verheiratet
ist so hat mein keine Zeit u. kein
Geld zum die Welt bereisen.
Base kam im November zum
Ritter [6] u. am 11./11. [1908] ist das
Testament schon geschrieben worden,
wahrscheinlich vor man Ihr einmal
von Ritters Kost etwas zu essen
gegeben. In Eschen der Kranz
hat gesagt, sie habe verlangt, dass
man mir schreiben soll, haben
aber mir nicht geschrieben, nur
zu ihr gesagt, jetzt weisst wie
es ist, Martina komt nicht
einmal, u. weisst jetzt, dass Du
schwer krank bist. Zu mir sagte
Ritter, bei der Begräbniss, sie
wussten keine Adresse, sonst [7]
hatten sie mir geschrieben, wo
gestorben, als sie sich
sicher fühlten, dass das Testament
von ihr selbst nicht mehr geändert
werde, da haben Ritters die Adress
gewusst. Schreiben Dir auch, dass
Ritter, Frau u. Magd Tag u. Nacht
keine Ruhe hatten, wegen der Bases
Pflege, welch aber nicht so viel Müh
kostete den sie haben selbst gesagt
zu mir, dass sie die Nacht keine
Pflege wolte, das Base immer sagte
sie sollen nur ins Bett gehen.
Man hat so gar nebst dem Kaplan [Josef Ester]
niemand mehr zu ihr gelassen,
Den Bergjokles Sefa [Maria Josefa Meier] u. Hensa
Urschele [Ursula Gerner [-Hasler]] gingen der Bas immer
zopfen. Sefa sagte nach dem
Testament machen zu ihr sie
hätte das nicht thun sollen,
dem Ritter gehören der Lohn [8]
für Verpflegung, u. das ander
gehöre rechtmässig uns. Nachher
hat sie eben mich verlangt,
welches man Ihr zwar versprach
aber an mich kam eben kein Schreiben.
Nun war die Base ganz allein,
niemand kam, nachher hat sie
eben angefangen rufen, habe
mir gerufen, u. bald dem, bald
diesem, nachher hätten Ritters
lieber noch gesagt, wen sie noch
nicht gestorben hätt Johann sie
noch nach Rankweil gethan,
Er sagte zu mir sie sei eben
nicht mehr recht im Kopf gewesen
u. doch hat sie noch am Morgen
vor sie gestorben [9] die hl. Sakramente
empfangen. Du solltest einmal
in Eschen sein u. hören u. horchen
was die Leut alles sagen. [10]
Bei der Begräbniss [11] hat er eben das
Testament gelesen u. zu mir gesagt,
er gebe mir eben noch freiwillig
etwas Bettzeug ein Kasten u. von
Ihr etwas Kleider. Nun ich sagte
gar nichts dazu, das hätte ja kein Werth
gehabt. Nachher sagte er in Wagners
der Balbina traue er ganz gut
betrefs dem Testament, aber ich könnte
etwa noch mehr wollen. Da kam
an einem Samstag morgen
der Ignaz mit dem Bericht,
von Dir. Mein Mann ging am
Nachmittag zum Gericht nach
Bludenz u. wollte dich selles
vom Gericht Vaduz das Testament,
welches aber sagte es habe sonst zu
thun. Am Montag ging es wieder
nach Feldkirch zum Dr. [Josef] Peer,
welcher sagte man soll die Abschrift [12]
vom Testament haben. Ein andermal
ging er wider zum Gericht nach
Vaduz u. fragte dort an ob man
selles nicht brechen könnte, der
Richter sagte er solls brobieren.
Ein andermal ging er wieder
nach Eschen um der Sache genau
auf die Spur zu kommen, dort
sagte man zu ihm, dass der
Fr. Jos. Hasler der Seple Josebas [13], das Testament
geschrieben, u. sich auch als Zeuge
unterschrieben, der Wagner
Wilhelm [Wilhelm Adam Marxer] sagte er habe sich auch
als Zeuge unterschrieben, dass
er aber beim Testament schreiben
nicht dabei gewesen. Auf das hin
ging mein Man wieder nach Feldkirch zum Dr. Peer, er sagte
das Testament sei nach Gesetz
ungültig. [14] [15]
Er brachte da eine Vollmacht
zum Unterschreiben. Ich meinte
eben für Dich auch, da war wieder
alles nichts. Der Dr. Peer schrieb wieder
herein, u. mein Mann ging wieder
nach Feldkirch zum Dr. Peer. Und
so muss man immer auf dem
Wege sein. Der Herr Ritter habe
eben gesagt, wenn das Testament
gebrochen werde so verlange
er 4000 Kronen für Ver-
pflegung. Brendles sagten er habe
der Bas für in Schweiz zum Dr.
gehen jedes mal 24 Kr. gemacht
ohne Spesen u. Medizin.
Sei daher doch so gut u. sende sofort
ein Vollmacht mit Deiner Unterschrift
denn man solte den Boden anbauen
u. bis alles fertig ist geths nicht.
Lebet wohl u. bleibet gesund ein
andermal noch vielmehr. Nebst vielen
Grüssen von Martina
Johann Josef Hartmann in Ludesch. 

Bitte um richtige Adresse [16]

______________

[1] LI LA PA 016/3/11/01. Vgl. das Schreiben der Maria Katharina Gerner [-Brendle] an Maria Balbina Öhri [-Gstöhl] von Ende Januar 1909 unter der Signatur LI LA PA 016/3/04/13.  
[2] In lateinischer Schrift.
[3] Ursprüngliche Fassung: „Adreẞe“. Das Eszett wird im Folgenden zu „ss“ umgewandelt.
[4] Seitenwechsel.
[5] Seitenwechsel.
[6] In Pflege.
[7] Seitenwechsel.
[8] Seitenwechsel.
[9] Verstorben am 14.1.1909.
[10] Seitenwechsel.
[11] Am 16.1.1909.
[12] Seitenwechsel.
[13] Nachträglich hinzugefügt.
[14] Zur Verlassenschaftsabhandlung nach Magdalena Gstöhl vgl. LI LA J 004/A 153/110.
[15] Seitenwechsel.
[16] Nachträglich auf der 6. Seite hinzugefügt.