Karolina Lampert [-Schädler] an ihre Schwester Juliana Sele [-Schädler] über die vorhergehenden Briefe von Sohn Julius Lampert, den täglichen Wunsch die Verwandten aus der Heimat zu sehen, den milden Winter, gute Verdienstmöglichkeiten und die Freude über den schönen Brief von Nichte Kreszenz Sele


Handschriftliches Originalschreiben der Karolina Lampert [-Schädler], Freeport (Illinois), an ihre Schwester Juliana Sele [-Schädler]

Freport den 15 Februar

Liebe, theure Schwester!
Wier haben dein theures Schreiben vom
18 Jänner mit Freuden erhalten, und du hast
dich gewundert, daß ich mich nicht hören ließ
in den zwei lezten Briefen, welche mein
Julius geschrieben hat, und meintest villeicht
noch sogar daß ich böse wär, welches aber
gewiß nicht der Fall ist. Der erste Brief,
welcher er schrieb, besinnte er sich auf einmal
und sagte: Mutter wier haben schon so lange
keinen Brief mehr von der Tante bekommen
ich wundere ob sie krank ist, ich will an
sie schreiben, und dann sezte er sich hin
und schrieb und trug ihn auch gleich auf die Post, und der
zweite schrieb er in der Schule, und schickte
ihn auch gleich fort. Warum hast du
seinen Dank nicht gerne gehört? Hast du
nicht genug für ihn gethan, so viel er brauchte?
und ich hoffe, daß du fernerhin nichts mehr
erwähnst, daß du ihm noch etwas schuldig 

wärest, den er hat alles was er brauchte.
Ich habe dir im Jänner einen Brief geschickt,
welcher du jezt wohl haben wirst, und ich hoffe
daß du mir einen recht langen Brief schreibst
du weißt gar nicht wie gerne man in
Amerika von seiner alten Heimath hört
und von allen seinen Bekanten, und Verwand-
ten. Liebe Schwester du schreibst mir immer
daß wier noch einmal zusamen kommen
möchten, aber nicht wo, du weißt daß ich
einen großen Fehler machen würde, wen
ich wieder in die alte Heimath zurükehren
würde um dort zu bleiben, obwohl ich
täglich wünsche bei Euch zu sein, was
sollte dort aus meinen Kindern werden.
Liebe Schwester schreibe mir ob du nie
im Sinne hast nach Amerika zu kommen,
auch wenn ich ein großes Opfer bringe
nicht, wenn ich z. B. mit meinen Kindern
kommen würde und dich holen, o, du weißt
nicht wie glüklich ich wäre wenn du hier bei mir
währest, wenn du Lust hast so
schreibe mir, ich werde schaffen und sparen 

so, daß ich bis in einem Jahr es ausführen
kann, die Fahrt ist jezt recht billig und schnell.
Wier haben hier einen recht milden Winter
gehabt, dagegen hört man von Deutschland
daß es dort recht kalt ist, es wird wieder
recht viel gebaut, und es ist immer gut mit
dem Verdienst.
Liebe Kresenzia dein Briefchen hat mich
recht gefreut, du kanst schon so schön
schreiben, der Juli und die Theresia schämen
sich mehr zu schreiben, den du kannst sie weit
übertreffen mit schreiben. Das ist recht schön
von dir, fahre so fort und sei recht fleißig
und brav, daß du deiner Muter recht viel
Freude machst, und daß der liebe Gott sein
Wohlgefallen an dir hat. Liebe Kleine
ich habe auch in deinem Briefe gesehen,
daß du dich zu uns wünschest, und wier
hoffen, daß wier alle noch zusamen kommen.
Du brauchst auch nicht mehr zu danken
den das war nichts, was ich euch gethan habe
das ist nur Geschwisterliebe, schreibe recht
bald wieder liebe kleine die Theresia 

will dir wieder ein wenig Band schiken,
das lezte ist verlohren gegangen mit dem
Brief, es wird dir später schreiben wen es
besser schreiben kann. Wier grüßen dich
alle vielmahl und ich Verbleibe Deine
Dich liebende Tante Karolina
Liebe Schwester was die Base Agatha
ist sie noch so krank, was für eine
Krankheit hat sie? Was macht die Base
am Wangerberg und der Vetter und über-
haupt alle, was treibt jezt der Ferdinand
grüße sie alle, der Lehrer und seine Famili
wie viele Kinder hat der Alois Seli?
Was macht dem Vinzenz Schädler seine
Frau und habt ihr nichts gehört von ihm?
Ich will nun schließen mit viel tausend
grüßen von uns allen an alle Bekante
und Verwandte, Veter und Basen Geschwisterte
und ganz besonders an dich und dein Kind
und ich Verbleibe Deine Dich
nie vergessende Schwester Karolina
Lampert
sei so gut und schike mir ein par Körner Fanenderli Samen im Brief

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