Der bayrische Kurier berichtet über die 2. Aufführung der Oper "Die sieben Raben" vom 19.03.1878


Bayrischer Kurier, nach 19.03.1878

Dienstag den 19. fand nach Beseitigung mancherlei Hindernisse die erste Wiederholung der neueinstudirten Oper "Die sieben Raben" von Rheinberger statt. Franz Bonn hat das anspruchslose Märchen unter dem freundlichen Beistand der Musen trefflich zum vorliegenden Zweck zurecht gelegt und in leicht in Musik zu fassende Verse gekleidet. Ob der Stoff für das Theater passend und wirksam, wollen wir heute nicht mehr untersuchen; dass die Oper aber immer regem Interesse begegnet, dafür spricht der Umstand, dass sie nach 2-jähriger Ruhe wieder zur Aufführung hervorgesucht wurde. Dadurch, dass die Romantik nicht so blühend und anziehend, wie etwa in Kind's Text zum "Freischütz", erwuchs dem Componisten die Aufgabe, mit seiner Musik den Stoff zu ergänzen und Rheinberger gab sich redliche Mühe; an dem ganzen Styl der Oper ist ein Nachwuchs der Spohrschen Schule zu erkennen, die ein ernstes, aufmerksames und verständnissvolles Auditorium verlangt, denn Rheinberger zwingt den Musiker, mit voller Aufmerksamkeit zuzuhören, um allen Details zu folgen. Ob es für die Oper nicht dienlicher gewesen wäre, wenn der Componist sich nach den Kleinen umgesehen, wie sie mit wenigen Strichen Effektvolles für das Rampenlicht erreichten oder wie etwa bei dem Italiener und dem kleinen deutschen Singspiel, wie wir sie von den Wiener Componisten empfingen, möchten wir nicht endgültig entscheiden; wir glauben, dass kühnerer Aufschwung und grössere Freiheit bei minder complicirter und gelehrter Schreibart das grosse Publikum für das noch immer eine Oper geschaffen wird, sicherer gewonnen und dem Werk eine allgemeine Verbreitung gesichert hätte. Um die Aufführung machten sich vor allem Frl. Wekerlin, Hr. Vogl und Herr Hindermann verdient; Frau Vogl erreichte im Ausdruck der zur Versöhnung geneigten Mutter ihre Vorgängerin, Frau Diez, nicht. Die dankenswerthe Aushilfe des Frl. Irringer als Fee finde gebührende Anerkennung, doch ist ihre zarte, wohlklingende Stimme für den grossen Raum des Hauses nicht ergiebig genug. Nachdem nun wieder einmal ein einheimischer Componist Berücksichtigung gefunden, dürfte der Vorschlag nicht unbillig erscheinen, Max Zenger's "Ruy Blas" und Franz Lachner's "Catarina Cornaro" wieder ins Repertoire aufzunehmen.

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