Das Liechtensteiner Wochenblatt berichtet von der Fertigstellung der Orgel für die neuerbaute Kirche und deren Übernahme durch den eigens hierzu berufenen Prof. J. G. Rheinberger


Artikel in der Liechtensteiner Wochenzeitung:

 

3.4.1874

Vaduz, 31. März. (Eingesendet.) Das einförmige Stillleben unseres Dorfes wurde in den letzten Tagen auf eine angenehme Weise unterbrochen, indem uns musikalische Genüsse sich boten, um die uns manche Stadt beneiden würde. Es ist nämlich die für unsere neuerbaute herrliche Kirche von unserem Fürsten bestimmte längst ersehnte Orgel fertig geworden und fand am letzten Samstag die Uebernahme derselben durch den eigens hierzu berufenen Hrn. Professor Rheinberger am Konservatorium zu München, einen geborenen Vaduzer, statt. Dieses wirkliche Kunstwerk entstammt dem Atelier der Herren Steinmeyer und Comp. in Dettingen in Baiern und ist deren 120. Werk, das den Erbauern wirklich Ehre macht; die Aufstellung durch einen Compagnon und 2 Mitarbeiter, tüchtige, fleissige, bescheidene Männer, die nur ein gutes Andenken bei uns hinterliessen, nahm über 4 Wochen in Anspruch.

Auf den Tag, wo das prachtvolle Werk durch die Meisterhand Rheinbergers seine Töne alle sollte erklingen lassen, warteten Viele mit Spannung und fanden gewiss ihre Erwartung übertroffen sowohl bezüglich des vollendeten Spiels als auch des ausgezeichneten Werkes selbst. Hr. Rheinberger, der uns nur Klassisches eigener Kompositionen und anderer berühmter Meister zu hören gab, setzte uns bald in Erstaunen durch die Majestät des vollen Werkes mit seiner Fülle und Allgewalt, seinem Glanz und seinen donnernden, gigantischen Bässen, bald versetzte er uns in andächtige Stimmung durch die zarten Register, die wie Töne aus einer überirdischen Welt herniederklangen, zum Ohre der Zuhörer. Das war ein Genuss! Auch der als sehr guter Organist an der Stadtpfarrkirche zu Feldkirch bekannte Hr. Briem [1] fand Gelegenheit, seine Kunstfertigkeit auf der neuen Orgel zu bekunden.

Am Palmsonntag diente das Instrument zum erstenmale zur Begleitung des Kirchengesanges, wo Rheinberger ebenfalls die Orgelbegleitung zu einer von ihm schon 1856 componirten Messe [2] übernahm und wo Componist und Sängerpersonal mit aller Hingebung sich die gute Durchführung dieser Composition angelegen sein liessen. Die Orgel und das kunstvolle Spiel derselben befriedigten die versammelte Gemeinde, deren meiste Glieder sie zum erstenmale hörten, im höchsten Grade. Am Montag, Nachmittag 4 Uhr, erfreute uns der Künstler noch durch ein über eine Stunde dauerndes Orgelkonzert, wobei er seine Virtuosität und die gänzliche Beherrschung des Instrumentes in glänzender Weise wieder zu zeigen Gelegenheit hatte, und wobei viele Bewohner Liechtensteins und der benachbarten Schweiz sich eingefunden hatten. Möge der gefeierte Componist und Künstler, den seine Berufsgeschäfte heute wieder nach München riefen, seinen Heimatsort bald wieder besuchen und uns bei längerer Dauer seines Aufenthaltes noch öfter solche Kunstgenüsse bereiten!

Uns über das Orgelwerk des Weiteren auszusprechen, ist unsere Aufgabe nicht; vielleicht findet der hierüber erstattete Bericht der dazu Berufenen auch den Weg in die Oeffentlichkeit; aber die Gemeinde Vaduz mag sich zu erneuter Dankbarkeit gegen unsern edlen Landesfürsten,  der in wahrhaft fürstlicher Weise auch diese Orgel ihr zum Geschenke machte, verpflichtet fühlen und sich freuen, ein solches Kunstwerk zu besitzen.

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[1] Wunibald Briem (1841-1912), Komponist und Organist, war Schüler Philipp Schmutzers in Feldkirch und Josef Rheinbergers in München.
[2] Messe in D-dur, für 4 Singstimmen und Orgel (JWV 71), in Rh's Thematischem Catalog als "Landmesse in D-dur..." bezeichnet. Das Manuskript dieses Jugendwerkes galt lange als verschollen, bis es am 10.10.1975 im Archiv des Kirchenchors Vaduz wieder aufgefunden wurde.