Die Neuesten Nachrichten (München Nr.56 vom 14. Juli 1870,S.669)berichten im Unterhaltungsblatt über "Das Rheingold" und "Die Walküre"


Die Neuesten Nachrichten stellen im Unterhaltungsblatt
folgenden Bericht zur Diskussion:
14.07.1870

Durch die Aufführung des Vorspiels "Das Rheingold" hat man einen klareren Blick in den dramatisch-musikalischen Organismus der Nibelungen - Trilogie gewonnen; hier im "Rheingold" treten zum ersten Male die Motive auf, welche in der "Walküre" zur Verwendung kamen. Gerade dadurch, dass das letztere Musikdrama bereits näher bekannt geworden ist, hat auch das "Rheingold" gewonnen und wo das prüfende Auge sonst nichts als Unordnung und Verwirrung gesehen, vermag es nun die Einzelheiten zu unterscheiden und die Absicht des Dichterkomponisten zu erspähen. Die Motive, welche sich durch "Rheingold" und "Walküre" hindurchziehen, treten nun bedeutsamer, sprechender, verständlicher auf und der Geist, der sich früher in dem Tongewirre schnell ermattet sah, ist nun in den Stand gesetzt, der Komposition Schritt für Schritt nachzugehen und sich an den reichen Schönheiten zu erfreuen, welche auch hier zu finden sind. So muss das Publikum für diese Werke erst erzogen werden. Dass es sich leicht und willig dazu erziehen lässt, ist uns mit ein Beweis, dass in dem, was Wagner will, viel Wahres und Gutes liegt. Die Aufführung des "Rheingold" war eine äusserst glückliche. Fräulein Stehle als Frigga und Herr Vogl als Loge zumal führten ihre Aufgaben in einer Weise durch, dass selbst der kritische Autor davon entzückt gewesen wäre. Die übrigen Mitwirkenden setzten ihre besten Kräfte zum Gelingen des Ganzen ein. Das Orchester, unter Wüllners Leitung stehend, hat sich in dem neuen Kunststyl bereits völlig zurecht gefunden und liess an Feuer und Präzision des Spiels nichts zu wünschen übrig. - -

______________