Josef G. Rheinberger wird nach dem Konzert von der Zeitung als junger Künstler von seltener musikalischer Begabung gelobt.


Beilage zur "Neuen Münchener Zeitung"
18. September 1855


Der hiesige P r i v a t = M u s i k v e r e i n gab Sonnabends den 15. September zur Feier des Namensfestes Ihrer Majestät der K ö n i g i n ein grosses Concert, welches mit der Composition eines 16jährigen Jünglings eröffnet wurde, Joseph R h e i n b e r g e r (aus Vaduz Im Lichtenstein'- schen), eines jungen Künstlers von seltener musikalischer Begabung und wahrem, hohen Künstlerberufe, der als zwölfjähriger Knabe nach München ins Conservatorium kam, wo dessen ausserordentliches Talent bald von den HH. Professoren Herzog, Meyer und Leonhard bemerkt und gepflegt wurde, während Hr. Generalmusikdirektor Lachner den Jüngling später unter seinen besonderen Schutz nahm. Die erwähnte Composition ist eine Symphonie (in D-dur). Schon im ersten Satze findet der Kenner nicht etwa den Versuch eines wankenden Anfängers, sondern eine Composition, die eben so sehr durch schön erfundenes Thema als durch die kunstgewandte Aus-und Durchführung desselben einer gereiften Individualität Ehre gemacht haben würde. Noch grösseres Interesse erregte das Menuett mit originellem Thema, das durch sinnreiche, gerundete Instrumentirung noch reizender gemacht wurde. Das Adagio, der schwierigste Theil einer Symphonie, bildet einen rührenden Wettgesang zwischen dem Streichquartett und den Holzblasinstrumenten, unter welchen die Clarinette schon mit dem ersten Takte das schöne Thema beginnt, während das zweite Thema von der Violine vorgetragen wird. Nur selten tritt der Chor der Blechinstrumente dazu, den Effect des Ganzen auf eben so überraschende als ungesuchte Weise steigernd. In dem feurig gehaltenen Finale, das als Krone der ganzen Composition erscheint, herrschen wieder zwei Hauptthemen, welche durch die Kunst des doppelten Contrapunktes verschlungen sich bald verfolgen, bald nähern, und bald von den Blaseinstrumenten, bald von den Saiteninstrumenten aufgegriffen und durchgeführt werden, wobei das Hauptthema sogar in der Verkehrung erscheint.
Die Symphonie wurde vom Orchester mit sichtbarer Liebe aufgeführt und der junge Componist, welcher selbst dirigirte, vom erfreuten Publicum nach jedem Satze rauschend begrüsst und am Ende zweimal gerufen. Möge der junge Künstler, der, von dem verderblichen Hange frei auf anderm als dem Wege der Kunst neu und interessant zu werden, sich als leuchtendes Vorbild die ewigen Meisterwerke Haydns und Mozarts gewählt hat, und dessen ganze Compositionen so verständlich, so ansprechend und bei aller Mannigfaltigkeit doch so klar geworden, dass sich jedes Gemüth, welches nur einigen Sinn für Musik besitzt, daran erfreuen wird, durch unablässige Arbeit und unermüdetes Streben sich zu dem hohen Ziele aufarbeiten, das er sich gesteckt. Sein erstes Werk gibt Zeugniss von dem Drange, der in ihm arbeitet und der ihn nicht ruhen lassen wird, auf halbem Wege stehen zu bleiben. Nach der Symphonie trat Hofsänger M. H i e b e r mit einer sehr schön vorgetragenen Concertarie von Jos. Haydn auf. Diesem folgte eine ungewohnte obwohl liebenswürdige Erscheinung. Ein 13 - 14jähriges Mädchen aus der Schweiz, Anna K u 1 1, Schüierin unseres Hofmusikus H. Müller, errang sich als Violoncellspielerin durch seelenvollen Vortrag und für solches Alter bewundernswürdige Kraft und Fertigkeit den rauschenden Beifall. Den Schluss des Concertes bildete Webers Ouvertüre zu Oberon, welche mit grosser Vollendung ausgeführt wurde. Die kunstsinnige, edle Richtung, welche der Privatmusikverein erstrebte, hatte an dem Abende glänzenden Ausdruck gefunden.

______________