Josef G. Rheinberger antwortet seiner Schwester mit Münchner Neuigkeiten.


Brief Josef G. Rheinberger an seine Schwester Elisabeth
13. März 1855, München

Liebes Lisi!
Soeben wollte ich mich niedersetzen, so läutet's an, und ich höre eine Bassstime fragen, ob hier nicht ein Herr Schein, Fein, Klein, oder Reinberger wohne. Es war der Briefträger. Er brachte mir 54 fl und zwei Brief e, einen vom 1. Vater, wofür ich ihm herzlichst danke, und einen Brief von Dir. -
Vorerst sage dem Vater, dass ich bis jetzt 150 fl von zu Hause, 13 fl 30 +er von H. Maier und von Herrn Vetter in Schaan auch noch etwas gehabt habe, es also seine Richtigkeit mit den Ausgaben gehabt (hat). Der leise Vorwurf von Verschwendung that mir etwas wehe, denn man wird unter meinem Ausgabenverzeichnisse wenige (Posten) finden, die entbehrlich sind, wenn man nur etwas honnet unter angesehenen Familien erscheinen will. Letzthin zeigte mir Hr. Prof. Maier eine Büchse, welche mit Geld angefüllt war, schüttelte sie, und meinte lächelnd, das klinge erfreulich für mich. Es waren meine Beiträge; wie viel ich vom Verein (Oratorium) aus beziehe, weiss ich nicht. Das Alles sagst Du dem 1. Vater und der guten Mutter, welche ich herzlich grüssen lasse. -

(Ende der Rede d. Finanzministers).
Herr Prof. Maier besorgt mir nun wahrscheinlich einen guten Operntext. -
Bei F. Lachner u. Frau Generaldirektorin fragten besonders dem Matscherle nach! ! ! Der junge Lachner ist ein Jahr älter wie ich, und hat gegenwärtig die Grippe, welche sehr stark hier auftritt. Im Industrieausstellungsgebäude werden gegenwärtig Rekruten einexerciert. - Hier ist das Wetter alle Tage gleich, in der Früh scheint die Sonne, wie im Sommer, Mittags regnets, Abends schneits, und in der Nacht Mondschein. Was soll ich Dir noch schreiben??
Auf meinen Namenstag habe ich schon 2 Einladungen erhalten, (eine von Hr. Schafhäutl u. eine vom Vater jenes Deprosse, welchen der Peter schon kennt.) Der frühere Buchhalter der Mangnerschen Buchhandlung 'Rosolt' (der Peter kennt ihn schon) von Feldkirch ist jetzt hier, wenigstens hab ich ihn gesehen. Er kennt mich nicht mehr, was auch nicht nöthig ist. Nagiller ist jetzt wieder hier, ich sehe ihn alle Sonntage; er sagte mir, er komponire hier eine Oper; er fragte besonders, wie es Hr. Schmutzer gehe, den er grüssen lasse.
Von Herrn Tschavoll jun. erhielt ich bis jetzt noch keinen Brief von Strassbourg aus, er schrieb mir im Ganzen 3 mal. - Jetzt wirds dunkel, es ist zwar erst halb 5 Uhr, aber es schneit. -
Grüsse mir die Frau Oberförsterin 'Madame Elisa Schaner', welcher ich am Fastnachtsmontage ein Massl Doppelbier steigen liess.
So Lisi, jetzt mach auch, dass Du bald nach kommst, verstanden?! Du meinst ich habe Dir nicht geschrieben wegen Mangel an Papier? Dummheiten! Dem Mali schick ich hier einen Bluzger, der sich, weiss Gott wie, hierher verirrt hat, damit es sich einen Bogen Papier kaufen kann, mir zu schreiben.
Übrigens freute es mich von ihm zu vernehmen, dass es so fleissig lerne.
Was macht der 'Giggermarti' [1]? Ich lass ihn grüssen; und der Hr. Buchbindermeister Toni? und Kanzelist David? und Generalissimus Peter? er wird wahrscheinlich auch zum Bundesfeldherrn vorgeschlagen sein. Seine Bestellung werde ich baldigst besorgen. Jetzt sehe ich gar nichts mehr; wer hat es diess Jahr verspielt? auf dem Schloss.
Jetzt grüss mir die Sepha und nun leb' wohl
Dein Bruder Jos. Rheinberger
Chorrepetitor.
München den 13.3.55.

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[1] Giggermarti' (auch 'Gigemarti') = Geigermartin (Hausname)