In seinem nunmehr monatlichen Brief schreibt J.G. Rheinberger, dass er Pfingsten bei Pfr. Öhry in Seefeld verbrachte und seine erste Oper besuchte.


Brief J.G. Rheinberger an die Eltern

München, 28.6.52
Theuerste Eltern!

Weil ich das letzte mal den Brief so kurz gemacht habe, werde ich diessmal länger im Geiste bei Euch verweilen. - An dem nämlichen Tage, als ich Euch schrieb, reiste ich nach Seefeld, theils um dort die Pfingstfeiertage zuzubringen, theils um der Einladung des hochw. H. Pfarrers Öhry Folge zu leisten; ich halte es aber für unnöthig, Euch durch eine lange Beschreibung dortiger Gegend zu ermüden, ich beschränke mich bloss darauf, Euch zu sagen, dass es rnir dort sehr gefiel u. dass ich auf dem h. Berg Andechs war, wo eine grosse Orgel ist, welche ich probiren durfte. Am h. Pfingstsonntag u. Pfingstmontag spielte ich Amt u. Vesper in zwei verschiedenen Dörfern. Der junge Öhry hat grosse Fortschritte in der Musik gemacht, u. denke, dass er ein tüchtiger Lehrer werden kann. –
In Mitte dieses Monats überraschte rnich H. Wolfinger aus Feldkirch mit einem Besuche u. machte mir Hoffnung, dass Ihr, bester Vater, mich auf den August nach meinem lieben Vadutz abholen würdet.
Vor 14 Tagen hörte ich zum ersten Male eine Oper: "Die Zauberflöte"! Dieser herrliche Kunstgenuss lässt sich nicht beschreiben (besonders, da nur 15 +er unter ihm litten). –

Im Conservatorium wird schon tüchtig an einer guten Prüfung vorgearbeitet. Hr. (Harrnonie-)Professor Maier war 3 Wochen lang krank, also wir ohne Unterricht; zu guter Letzt nimmt er noch 4 Wochen Urlaub, während welcher Zeit wir zu einem andern Lehrer u. andern Methode gekommen sind. - Aber wo's zurn Zahlen geht, da sind diese lieben Leute vorn dran. –

So zum Bspl. wurde der Betrag des 4ten Quartal's um einen ganzen Monat zu früh gefordert. (Das habe ich schon Herrn Pf. Wolf. geschrieben, welcher mir die 10 fl schicken wird.) Ich bereite mich nichts desto weniger zur Prüfung gut vor u. werde das selbst ersetzen, was durch Prof. Maier abgeht. –
In Betreff des Andrioli werde ich mich ganz so verhalten, wie es mir David schrieb.
Meiner Kassa ist der Magen ganz zusammengeschrumpft.
Jetzt gibt's bei Euch gewiss viele Kirschen?! - Ich bin Gottlob gesund, wie Ihr es hoffentlich auch sein werdet. –
Grüsset mir alle meine lieben Geschwister, vorzüglich aber die liebe Mutter, welche jetzt in Disentis sein wird. –
Lebet wohl, theuerste Eltern, u. gedenket oft
Euers dankbarsten Sohnes
Jos. Rheinberger

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